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Andere Länder, andere Bewerbungssitten

Veröffentlicht am 02.08.2015
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Ein kleiner Knigge für Jobsuchende, die im Ausland ihr Karriereglück suchen
Für jedes Land gelten eigene Bewerbungsspielregeln. Nur wer weiss, auf welche Feinheiten es ankommt, schafft den Sprung über die Grenze.
 
Von Martin Wehrle*

Nicht nur die Welt, sondern auch die Arbeitswelt wächst zusammen; im Zeitalter der modernen Medien sind andere Kontinente nur noch einen Klick weit entfernt. Wer sich online bewirbt, kann seine Unterlagen in Sekundenschnelle auf einen Schreibtisch am anderen Ende der Welt zaubern. Heisst das also für alle, die mit einem Wechsel ins Ausland liebäugeln: Man braucht die bewährten Unterlagen nur in ein anderes Land zu schicken – und schon läuft die Sache?
Nein, so ist es nicht, denn schon in den europäischen Nachbarländern gelten andere Bewerbungsregeln als in der Schweiz. Bewerber tun gut daran, diese Regeln zu berücksichtigen. Es ist wie beim Reisen: Wer in ein fremdes Land kommt, gewinnt mehr Freunde, wenn er sich den dortigen Sitten anpasst – als wenn er die Einheimischen zwingen will, sich nach ihm zu richten. 
Wahr ist: Eine Bewerbung besteht überall aus Anschreiben und Lebenslauf. Aber das war’s auch schon an Gemeinsamkeit. Ob Bewerberfoto, ob Zeugnisse, ob Stapel von Zertifikaten – all das ist in einigen Ländern eher verpönt als gefragt. Hier ein paar Tipps für wichtige Länder:
 
DEUTSCHLAND: Während in der Schweiz gesundes Understatement hoch im Kurs steht, schlagen die Bewerber in Deutschland lautere Töne an. Es reicht nicht, die eigenen Erfolge für sich sprechen zu lassen. Vielmehr empfiehlt es sich, mit dem Pfund des eigenen Könnens zu wuchern, ausdrücklich auf Stärken hinzuweisen und der Firma aufzuzeigen, wie sie in Zukunft davon profitieren könnte.
Ausserdem ist beim Bewerben eine so genannte dritte Seite beliebt, die – neben Anschreiben und Lebenslauf – die Unterlagen abrundet und ihr eine persönliche Note verleiht. Zum Beispiel hat ein Bewerber, der zur Bahn wollte, eine dritte Seite über sein Hobby verfasst, das Sammeln von Modelleisenbahnen, Überschrift: „Wollen Sie wissen, welches meine feinsten Züge sind?“ Das macht neugierig und sympathisch.
Bewerberfotos und Angaben zum Alter dürfen zwar in Deutschland gesetzlich nicht mehr verlangt werden, nur lehrt die Erfahrung: Wer’s weglässt, mindert seine Chancen erheblich.
 
FRANKREICH: Ein Bewerbungsbrief per Hand? Was in vielen Ländern ein Witz wäre, ist in Frankreich oft gefragt. Der Lebenslauf kommt formloser daher: ohne Überschrift, ohne Unterschrift, ohne Datum. Und statt die Unterlagen in einer Mappe zu verschicken, lieben es die Franzosen rustikal: Unterlagen falten, rein in den Umschlag – und ab geht die Post!
 
ENGLAND: In England stehen Empfehlungsschreiben hoch im Kurs. Fragen Sie Ihren Lieblingsprofessor, Ex-Chef oder Geschäftspartner, ob sie ein Loblied für Sie komponieren  (Englisch, sonst mit Übersetzung). Häufig haken die Firmen per Telefon nach. Hochschul-Absolventen haben von September bis Oktober Saison; danach wird kaum mehr eingestellt.
 
USA: Unterlagen ungeprüft zurückbekommen? Das passiert, wenn Ihr Lebenslauf persönliche Details enthält; die Unternehmen fürchten Diskriminierungs-Klagen. Verzichten Sie auf Angaben zu: Alter, Geschlecht, Familienstand, Kinderzahl, Religion, Gesundheit, Gehalt, Charakter usw. Im Vorstellungsgespräch sollten Sie locker, von sich selbst überzeugt und mit viel Begeisterung für die Firma auftreten.
 
In CHINA zählt eher Bescheidenheit: Man trommelt nicht mit seinen Erfolgen, man lässt sie nur aufblitzen.
HOLLAND ist das einzige Land in Europa, wo der Lebenslauf auch mal länger als zwei Seiten sein darf. Und im titelversessenen ÖSTERREICH müssen Sie Ihre Gesprächspartnerin gegebenenfalls als „Frau Magister“ ansprechen – sonst kann der „Herr  Bewerber“ einpacken.
 
*Der Erfolgsautor Martin Wehrle gilt als Deutschlands bekanntester Karrierecoach, sein aktuelles Buch ist der Spiegel-Bestseller „Herr Müller, Sie sind doch nicht schwanger?!“ In der Schweiz ist er als unterhaltsamer Vortragsredner bekannt, u.a. zu Führungskultur und Frauenförderung. Kontakt über: www.wehrle-redner.de


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