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Bewerben nach Mass

Veröffentlicht am 08.03.2015
Bewerbung und Neuorientierung - Bewerben nach Mass - myjob.ch
Wie Stellensuchende ihre Chancen auf eine Anstellung erhöhen
Wer als Bewerber möglichst viele Firmen anschreibt, erhöht damit nicht seine Trefferquote. Im Gegenteil: Massenbewerbungen beschwören Massen von Absagen herauf. Erfolg versprechen in Massarbeit gefertigte Bewerbungen.
                                  
Von Martin Wehrle*
 

Der Mitarbeiter der Arbeitsvermittlung schaut streng über den Rand seiner Brille: „Wie viele Bewerbungen haben Sie im letzten Monat verschickt?“ – „75“, antwortet der Arbeitslose. „Können Sie das nachweisen?“ Der Bewerber wuchtet einen Ordner mit Kopien auf den Tisch. Der Arbeitsvermittler blättert andächtig darin. Dann seufzt er: „Ach, wenn nur alle Bewerber so fleissig wären wie Sie!“
 
Und wenn sie nicht gestorben sind, freuen die beiden sich heute noch über den Eifer des natürlich immer noch arbeitslosen Bewerbers. Denn wer glaubt, allein mit der Zahl der Bewerbungen steige die Chance auf eine Zusage, der könnte auch glauben, allein mit der Zahl der Seiten stiege die Qualität eines Buches. Blinde Schüsse mit der Schrotflinte, auch „Blindbewerbung“ genannt, gehen meist am Ziel vorbei.
 
Je mehr Bewerbungen Sie schreiben, desto weniger Zeit bleibt Ihnen, sich individuell mit den Bedürfnissen der Arbeitgeber auseinanderzusetzen. Der einzelne Adressat wird zum Empfänger einer Massenware degradiert. Eine solche Bewerbung trifft auf alle Firmen ein bisschen, aber auf keine so richtig zu. Dabei hält sich jedes Unternehmen für einmalig und unverwechselbar – mit Recht! 
 
Statt mit der Schrotflinte zu ballern, sollten Sie gezielte Schüsse mit Zielrohr setzen. Wer die Zahl seiner Bewerbungen reduziert, aber die Qualität erhöht, fährt in jedem Fall besser. Gehen Sie individuell auf die Eigenarten einer Firma und Branche ein, erkennen Sie ihre Bedürfnisse und präsentieren Sie sich selbst als Problemlöser. Telefonieren Sie mit der Firma, sammeln Sie Informationen und verfassen Sie für jede Bewerbung ein individuelles Anschreiben und einen Lebenslauf mit individuellen Elementen.
 
Stellen Sie das, was Sie können, und das, was die Firma braucht, im direkten Vergleich gegenüber (Muster: „Sie suchen … Ich biete …“) Damit zeigen Sie dem Empfänger nicht nur, dass Sie zur Stelle passen, sondern auch, dass Sie den Servicegedanken beherrschen – indem Sie die wichtigen Informationen leserfreundlich servieren. Das lässt positive Schlüsse auf Ihre Arbeitsweise zu. So können Sie mit einer spezifischen Bewerbung mehr erreichen als ein Massenversender mit hundert „Blindbewerbungen“.
 
Wie ein Schlüssel immer nur zu einem Schloss passt, so darf eine professionelle Bewerbung immer nur zu einer Firma und einer bestimmten Position passen. Das bezieht sich nicht nur auf das Anschreiben, sondern ebenso auf den Lebenslauf. Stellen Sie sich Ihre Qualifikationen wie einen randvollen Gemischtwaren-Laden vor, die Frage lautet: Was stellen Sie für diese spezielle Bewerbung ins Schaufenster – und was nach weiter hinten im Laden? Wenn Sie zum Beispiel ein Fremdsprachen-Talent sind und perfekt Russisch können, sollten Sie das nur dann hervorheben, wenn sich das Zielunternehmen tatsächlich auf dem internationalen Parkett tummelt und die ausgeschriebene Stelle Fremdsprachen erfordert. Ansonsten darf diese Information am Rande mitlaufen.
 
Warum nur am Rande? Weil sonst der Verdacht entstehen könnte: „Jemand, der so grossen Wert auf Fremdsprachen legt, wird auf Dauer in einem national agierenden Unternehmen nicht glücklich – und sich eine internationalere Firma suchen.“ Allein dieser Verdacht reicht aus, dass Sie eine Absage bekommen.
 
Wenn Sie dagegen erfahren haben, dass in Ihrer Zielfirma das Russland-Geschäft immer mehr
zunimmt, werden Sie mit Ihren Russisch-Kenntnissen punkten können – und diese auch im Lebenslauf prominent hervorheben.
 
Eine Topbewerbung ist ein massgeschusterter Aschenputtel-Schuh: Sie darf nur an den Fuss dieser einen Firma passen.
 
*Der Erfolgsautor Martin Wehrle gilt als Deutschlands bekanntester Karrierecoach, sein aktuelles Buch ist der Spiegel-Bestseller „Herr Müller, Sie sind doch nicht schwanger?!“ In der Schweiz ist er als unterhaltsamer Vortragsredner bekannt, u.a. zu Führungskultur und Frauenförderung. Kontakt über: www.wehrle-redner.de


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