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Ghostwriting - Wenn das Dossier vom Profi kommt

Veröffentlicht am 03.02.2014
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Ghostwriting für Bewerbungen ist eine neue Dienstleistung – eine Erfolgsgarantie ist damit nicht verbunden  
Wer keine Zeit hat und keine Lust, ein Bewerbungsdossier zu verfassen, kann sich die perfekte Mappe einkaufen. Ein empfehlenswerter Service?
 
Von Vera Sohmer


Stefan Gribi sieht es nüchtern. Da kann jemand ein noch so gewiefter IT-Spezialist oder eine noch so fähige Managerin sein. Es zählt nicht zu deren Kernkompetenz, Bewerbungen zu verfassen. Gribi übernimmt diesen Job, den viele lästig finden und viele überfordert. Er verfasst für seine Kunden Dossiers. Geliefert wird ab 300 Franken das komplette Paket mit Lebenslauf, professionellem Foto und Motivationsschreiben in Ich-Form. Insbesondere an letzteren beissen sich Bewerberinnen und Bewerber oft die Zähne aus. Weil sie gelesen haben: Der Einstieg muss originell sein – ein Wow-Effekt für jene, die Dutzende von Mappen sichten. Und dann gilt es zu punkten mit Argumenten, die keinen Zweifel offen lassen: Das ist der Mann, die Frau für diese Stelle.

„Sich bewerben ist heutzutage ein knallhartes Geschäft“, sagt Stefan Gribi. Die Gegenseite, das Unternehmen, sei mit einer spezialisierten Rekrutierungsabteilung bestückt. Dazu komme die Konkurrenz, nicht selten 100 Mitbewerber auf eine Stelle. Viele von ihnen scheuten keinen Aufwand, um den begehrten Job zu erhalten. Weshalb solle man nicht auch eine Top-Bewerbung anstreben und sich vom Profi helfen lassen? Als ehemaliger Rekrutierungsmanager bei der Swisscom wisse er: Liegt ein Stapel Mappen auf dem Tisch, picken sich Personalfachleute die Rosinen heraus, der grosse Rest ist uninteressant. Viele Bewerbungen würden anhand von Vorlagen aus Ratgeber-Büchern oder dem Internet erstellt. Damit aber tue man das, was 80 Prozent der anderen ebenfalls tun. Und gehe unter in der Masse.

Einen „Bewerbungshelfer“ beauftragen - ist das erfolgversprechend oder kontraproduktiv? „Sich unterstützen zu lassen, ist legitim“, sagt Laufbahn-Coach Claire Barmettler. Viele Bewerberinnen und Bewerber holen sich Rat zum Layout, zum Inhalt, lassen sich Formulierungen verbessern oder das Ganze korrigieren. Immerhin aber hätten sie sich die Mühe gemacht, das Dossier selbst zu verfassen. Geben Jobsuchende alles in Auftrag, verpassten sie ein paar wesentliche Dinge. Nämlich sich mit dem Unternehmen und der Stelle auseinanderzusetzen und sich aufs Vorstellungsgespräch vorzubereiten. Und komme ein Schreiben sehr profimässig und geschliffen daher, falle es im Vergleich zu anderen auf, und zwar negativ.
 
Personalfachleute merken es höchstwahrscheinlich, ob ein Ghostwriter am Werk war, sagt Claire Barmettler. Dies könne nachteilig wirken. Es gehe schliesslich darum, bei Bewerbern echtes Interesse herausspüren, sicher zu sein, dass sich die Kandidaten im Job engagieren werden. Kaufen diese die Bewerbung einfach ein, senden sie das falsche Signal: Wenn dazu schon die Motivation fehlt, was soll man später erwarten?

Stefan Gribi hingegen sagt, es sei keine Schande, sich Grenzen einzugestehen. Er verfasst die Dossiers mit Hilfe der Eckdaten des Bewerbers und der Stellenanzeige. Meistens sogar ohne persönliches Gespräch mit seinen Kunden. „Viele berichten mir erstaunt, dass ich sie im Motivationsschreiben exakt getroffen hätte“, sagt Gribi. Eine Erfolgsgarantie kann er freilich nicht geben. Einzelne Feedbacks über erhaltene Interviews und erhaltene Jobs zeigten ihm aber, dass seine Bemühungen nicht umsonst seien. Ob es Personalfachleuten auffällt, dass ein Ghostwriter die Zeilen verfasst hat, bezweifelt Gribi. Aber selbst wenn sie es merkten, müsse das kein Ausschlusskriterium sein. Im Vorstellungsgespräch darauf angesprochen, sollten es Bewerber einräumen und damit ausdrücken „Die Bewerbung ist für mich zu wichtig, um sie dem Zufall zu überlassen.“

Claire Barmettler plädiert dafür, es selbst in die Hand zu nehmen. Bewerbungen funktionieren nach einem bestimmten Schema, und sich Verkaufen gehört ein Stück weit dazu. Man nimmt das auf, was in der Anzeige steht, sich das Unternehmen wünscht, und bringt es in Zusammenhang mit der eigenen Person und den eigenen Zielen. Dabei sollen Bewerber sichtbar, greifbar, fassbar werden. Sie sollen sich zeigen mit ihren beruflichen und persönlichen Spezialitäten. Und wenn bestimmte Erfahrungen verlangt werden, sie dokumentieren. Oder einräumen, was einem fehlt und was man zu lernen bereit ist. Wer das nicht zu bittend und nicht zu fordernd formuliert, die korrekte Anrede wählt und Rechtschreib-Regeln kennt, macht schon vieles richtig. Kommen dann noch eine übersichtliche Gestaltung ohne Schriftensalat dazu und – bei Online-Bewerbungen – als PDF formatierte Anhänge, erhöht dies die Chancen.