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Den Chef managen

Veröffentlicht am 01.12.2013
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Wie Mitarbeitende ihren Führungskräften nicht mehr hilflos ausgesetzt sind  
Der Chef macht nicht, was ich will? Statt zu lästern sollten Mitarbeitende das Heft in die eigene Hand nehmen. Das ist zum Vorteil aller. 
 
Von Manuela Specker


Über den Chef oder die Chefin herziehen – nichts einfacher als das. Ihn oder sie mit dem eigenen Unmut konfrontieren – nichts schwieriger als das. Doch es gibt einen Mittelweg, der beide das Gesicht wahren lässt. “Cheffing” nennt sich das in der Fachsprache. Mitarbeitende können subtil den Spiess umdrehen und den Chef führen statt sich einfach nur führen zu lassen. 

Ein Klassiker sind Aufträge, die aus Sicht der Mitarbeitenden vollkommen unnötig sind oder in keinem Verhältnis zu Aufwand und Ertrag stehen. Statt sich hinter dem Rücken des Chefs darüber zu beklagen, kann man Rückfragen stellen, die ihn den Auftrag überdenken lassen: Wieviel Aufwand billigt er zu, um die Arbeit zu Ende zu führen? Inwiefern stimmt die Aufgabe mit den unternehmerischen Zielen überein? Fragen dieser Art können Vorgesetzte nachdenklich stimmen – das ist allemal wirksamer als die Hände zu verwerfen und sich quer zu stellen. Denn damit „Cheffing“ klappt, darf sich der Vorgesetzte nie als Verlierer fühlen. Es müssen beide Seiten davon profitieren. Der Karriereberater Martin Wehrle spricht denn auch von einem “unterschwelligen Tauschgeschäft”.  Der Chef müsse das Gefühl haben, dass er frei entscheide und ihn der Mitarbeitende nur mit Informationen versorge.

Geradezu prädestiniert für „Erziehungsmassnahmen“ sind jene Vorgesetzten, die in ihrem Chaos Termine vergessen und Mitarbeitende dazu nötigen, immer in letzter Sekunde das auszubaden, was sie mit ihrer mangelnden Organisationsfähigkeit angerichtet haben. Warum soll man als Mitarbeiter nicht regelmässig an Termine erinnern? Das bedeutet nicht nur weniger Chaos, sondern auch, sich unentbehrlich zu machen.

Eine weitere Methode des „Cheffing“ ist das Lob: Für Vorgesetzte sind lobende Worte genauso Balsam für die Seele. Aber Vorsicht: Die Grenze zum „Einschleimen“ ist schnell überschritten. Deshalb sollte es in jedem Fall ehrlich gemeint sein und vor allem dann angebracht werden, wenn die eigene Arbeit tangiert bist – zum Beispiel, wenn der Vorgesetzte, der nicht gerade für seine kommunikativen Fähigkeiten bekannt ist, Informationen für einmal frühzeitig weitergibt. Mit einem Lob zur rechten Zeit steigen die Chancen, dass er es beim nächsten Mal genauso macht. 

Natürlich enthält die Methode des „Cheffing“ auch einen manipulativen Aspekt – aber wenn der Sache gedient ist, kann dies durchaus in einem positiven Licht betrachtet werden. „Cheffing“ bringt sicher mehr, als zu lästern.  “Nicht nur Führungskräfte bestimmen im Unternehmen, wie geführt wird. Auch Mitarbeitende tragen ihren Teil dazu bei, indem sie im Team ein bestimmtes Führungsverhalten billigen, anderes aber nicht”, meint die Diplom-Psychologin Karin Poznanski. “Mitarbeitende können selbst dafür sorgen, dass sie das an Führung bekommen, was sie brauchen“. 

Hilfreich für das „Cheffing“ sind sicher flache Hierarchien im Unternehmen oder eine sogenannte 360-Grad-Feedbackkultur – wenn sich also auch Vorgesetzte offiziell dem Feedback der Mitarbeitenden stellen. Das bedingt wiederum, dass das Ego der Vorgesetzten nicht grösser ist als deren Wunsch, sich weiterzuentwickeln. Unter solchen Umständen muss es nicht zwingend ein unlösbarer Widerspruch sein, wenn der Chef ein ordnungsliebender Fanatiker und der Mitarbeiter ein kreativer Chaot ist. Mitarbeitende können sich dafür einsetzen, die Freiheiten und die eigene Herangehensweise beibehalten zu können. Solange das Ergebnis stimmt, wird ein intelligenter Vorgesetzter nichts dagegen einwenden. Chefs mit Kontrollwahn kann man auch zuvorkommen, wenn man von sich aus regelmässig über den Stand der Dinge informiert und so auch suggeriert, ein verlässlicher Mitarbeiter zu sein. Auch sollte man selber aktiv werden und sich die Aufträge gemäss den eigenen Kompetenzen zuschanzen anstatt einfach nach der Pfeife der nächsten Hierarchiestufe zu tanzen.

„Cheffing“ bedingt also viel Eigeninitiative. Doch meistens begehen beide Parteien den Fehler, dass sie eine Bewertung vornehmen und den eigenen Arbeitsstil als überlegen ansehen. Ob Ordnungsfanatiker oder kreativer Chaot: beides kann zu einem gleich guten Ergebnis führen. Macht man das dem Chef klar und erbringt man den entsprechenden Beweis, sind die Chancen gross, den eigenen Arbeitsstil beibehalten zu können. „Cheffing“ ist also eine wirksame Methode, sich mit einer Situation zu arrangieren, die nicht geändert werden kann.