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Führen will gelernt sein

Veröffentlicht am 04.12.2016
Führen will gelernt sein
Wirklich gute Führungskräfte sind selten. Woran das liegt – und worauf es in der Ausbildung ankommt. Von Christian Santschi*  
Vertrauenskrisen in der Wirtschaft sowie umfangreiche Befragungen von Mitarbeitenden (z.B. Gallup, HR-Barometer) machen immer wieder deutlich, dass wirklich gute Leader die Ausnahme sind. Passende Ausbildung müsste eine zentrale Rolle dabei spielen, Menschen zu besseren Führungskräften zu entwickeln. Leider ist ihre Effektivität aber oft unbefriedigend. Erfahrungsgemäss sind die folgenden fünf Aspekte von entscheidender Bedeutung, um die Wirksamkeit von Führungsausbildung zu erhöhen:

Die richtigen Menschen zu Führungspersonen machen
Immer noch viel zu oft werden Personen vor allem aufgrund der sozialen Ähnlichkeit und ihrer demonstrierten Fachkompetenz befördert. Dabei wäre zur Bewältigung der gestiegenen Unternehmens- und Umweltkomplexität nicht weniger, sondern tendenziell mehr Vielfalt (Charakter, Geschlecht, Alter, Kulturen usw.) erforderlich. Gleichzeitig müssten Mitarbeitende konsequent aufgrund ihres zukünftigen Entwicklungspotenzials im Führungsbereich ausgewählt  werden und nicht auf der Basis ihrer in der Vergangenheit liegenden Meriten im Fachbereich. Dabei kann nicht genügend betont werden, dass die persönliche Haltung und das individuelle Wertegerüst genauso so wichtig sind wie die – leichter messbare – kognitive Leistungsfähigkeit.

Die passende Führungsausbildung wählen
Wer in der Schweiz ein Auto mit 100 PS führen will, braucht einen Fahrausweis. Wer aber 100 Menschen führen will, braucht nur: 100 Mitarbeitende. Die meisten Chefs kommen als ungelernte Führungskräfte ins Amt. Die Wahl der Führungsausbildung hängt vorerst einmal von der jeweiligen Führungssituation ab. Vorgesetze aus dem unteren und mittleren Kader benötigen andere Kompetenzen (direkte Mitarbeitendenführung: z.B. Auftragserteilung, Informationsverhalten, Sitzungsleitung) als Führungspersonen, die eine grosse Betriebseinheit oder gar ein ganzes Unternehmen leiten (indirekte Führung über Strategie, Struktur und Kultur).
Führungsausbildungen müssen aber vor allem konsequent kompetenzorientiert ausgestaltet sein (siehe dazu www.svf.ch). Das heisst, sie müssen Menschen befähigen, eine konkrete, anspruchsvolle berufliche Führungssituation, wie beispielsweise ein konfliktbeladenes Mitarbeitergespräch, erfolgreich zu bewältigen. Die immer noch dominierende Ausbildungsrealität, die auf reine Wissensvermittlung setzt, greift da viel zu kurz. Und genauso wichtig ist natürlich, dass die Führungsausbildung in erster Linie nach den Ausbildungsinhalten und -konzepten sowie der Qualität der praxiserfahrenen Dozierenden ausgewählt wird und nicht nach dem vermeintlich am meisten Prestige versprechenden Abschlusstitel.

Umsetzungs- und Wachstumsmöglichkeiten schaffen
Um erfolgreich zu führen, muss auch die nach allen Regeln der Kunst ausgewählte schulische Führungsausbildung «off-the-job» in die betriebliche Führungsausbildung «on-the-job» integriert werden. Systematische Entwicklung von Führungskräften setzt voraus, dass beispielsweise durch gezielte Auftragserteilung («Job Assignments») Anwendungs- und Transfermöglichkeiten für das Gelernte geschaffen werden. Andernfalls geht das Gelernte nicht nur sofort wieder verloren, sondern es resultiert auch noch Frustration und Resignation über die unternehmensinterne Interessen- und Perspektivlosigkeit.

Anreize zur Selbstreflexion und zum Erfahrungsaustausch mit Peers geben
Da Führungspersonen vor allem im oberen und Top-Management kaum noch in den Genuss ehrlicher und ungeschminkter Rückmeldungen kommen können – obwohl es viele von ihnen erstaunlicherweise glauben – hilft nur noch Selbstreflexion. Führungskräfte müssen sich selber beobachten und dabei analysieren, ob sie ihre zugedachten Rollen und Aufgaben richtig erfüllen. Gleichzeitig müssen sie über die Möglichkeit verfügen, sich mit Gleichgestellten auf Augenhöhe und im Vertrauen austauschen zu können. Wirksame Führungsausbildung setzt voraus, dass die von ihr vermittelten Methoden und Instrumente (z.B. Introspektion) im unternehmerischen Führungsalltag gefördert, aber auch gefordert werden.

Massgeschneiderte Personalentwicklung und -begleitung sicherstellen
Menschliche Entwicklung basiert grundlegend darauf, von anderen zu lernen und durch erfahrene Personen mit besonderer Expertise beraten zu werden. Geeignete Vorbilder, Coaches und Mentoren/Mentorinnen spielen für den «Return on Investment» von Führungsausbildung eine ausschlaggebende Rolle. Und wichtiger noch: sie begleiten und inspirieren Führungspersonen bei einer Aufgabe, deren anregende Herausforderung nur zu leicht in eine lähmende Überforderung mutieren kann. Gerade starke Führungspersönlichkeiten wissen es zu schätzen, im Führungsalltag gut vernetzt und abgestützt zu sein.
 
*Christian Santschi, mag. rer. pol., Unternehmensberater hsp-Hodler, Santschi & Partner AG, ist Präsident der Schweizerischen Vereinigung für Führungsausbildung SVF-ASFC (www.svf.ch).

Bildquelle: Thinkstock