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Auswege für Introvertierte

Veröffentlicht am 06.05.2012
Netzwerken - Auswege für Introvertierte - myjob.ch
Wie stille Schaffer erfolgreich Business-Kontakte knüpfen, zeigt ein Ratgeber. Smalltalk ist ihnen ein Graus, grosse Menschenansammlungen versuchen sie zu meiden – scheinbar keine guten Voraussetzungen, um die Karriere mit- hilfe von Kontakten voranzutreiben. Doch Introvertierte brauchen Netzwerke nicht zuscheuen. - von Manuela Specker -
Carsten Maschmeyer, deutscher Finanzunternehmer und Millionär, macht kein Geheimnis aus seinem beruflichen Erfolg: «Meine Ausbildung, rückblickend auf den Punkt gebracht, bestand eigentlich nur aus zwei Fächern: Hauptfach Beziehungen, Nebenfach Sachthemen», schreibt er in seinem Buch «Selfmade». Beziehungsarbeit soll sich also mehr lohnen, als sich am Arbeitsplatz abzustrampeln?

Kommunikationstrainerin Monika Scheddin schätzt, dass rund 85 Prozent aller Management-Positionen über Beziehungen vergeben werden. Auch Marco de Micheli, HR-Experte und Inhaber des Fachverlags Praxium, betont die hohe Bedeutung des Netzwerkens: «Bei gleicher Qualifikation ist jener Mitarbeitende mit gut verzweigten Beziehungen im Vorteil.» Für introvertierte Menschen nicht gerade erfreuliche Nachrichten.

Unter solchen Umständen ziehen so manche das stille Schaffen dem Selbstmarketing vor und verzichten auf grosse Karrieresprünge. Netzwerken, das ist etwas für extrovertierte Menschen, lautet die gängige Meinung. Devora Zack erhebt Einspruch: Die Introvertierten würden sich bei der traditionellen Netzwerkpflege nur deshalb so ungeschickt anstellen, weil sie sich an Tipps orientieren, die von an Anfang an gar nicht an sie gerichtet waren. Die Beraterin und Networking-Spezialistin hat deshalb einen Ratgeber verfasst, der sich explizit an die Introvertierten richtet und der aufzeigt, wie sie deren vermeintliche Schwächen gewinnbringend für das Netzwerken einsetzen können, statt sich nach den Regeln der Extrovertierten verbiegen zu müssen.

Dass Introvertierte oft denken, sie eignen sich nicht zum Netzwerken, hängt mit einer falschen Vorstellung über ebendiese Eigenschaft zusammen. Devora Zack, die sich selber als introvertierten Menschen bezeichnet, hört immer wieder dieselbe Frage: Wie sich dieser Charakterzug mit ihrer regen Seminar- und Vortragstätigkeit verbinden lasse. Doch Introvertiertheit ist nicht zu verwechseln mit Schüchternheit; der entscheidende Unterschied besteht vielmehr darin, dass Reize und Informationen anders verarbeitet werden. Devora Zack zum Beispiel geht mittags gerne allein essen statt Businesslunch an Businesslunch zu reihen, sie zieht einen kleinen Freundeskreis einem grossen vor, und sie sagt generell von sich, gerne allein zu sein. Doch Introvertiertheit macht einen noch lange nicht zu einem schlechten Netzwerker, ganz im Gegenteil: «Solche Menschen konzentrieren sich auf weniger Kontakte, erreichen in den Gesprächen mehr Tiefe und hinterlassen einen nachhaltigeren Eindruck», so Zack.

Oftmals verfügen introvertierte Menschen über besonders feine Antennen, sie registrieren nonverbale Signale und sie sind hervorragende Zuhörer – alles Eigenschaften, die einem beim Knüpfen von Kontakten zugutekommen. Das muss nicht an einem Grossanlass und auch nicht wöchentlich sein. Devora Zack empfiehlt den introvertierten Menschen, sich die Rahmenbedingungen entsprechend zu gestalten, also Leute auch einzeln zu treffen und weniger Anlässe zu besuchen. Netzwerken bedeutet nämlich nicht, sich ständig selber vermarkten zu müssen. So kann es für einen introvertierten Menschen, der nicht gerne Details von sich preisgibt, viel ergiebiger sein, mit guten Fragen und aufmerksamem Zuhören zu punkten.

Selbst Grossanlässe sind halb so wild, wenn sich Introvertierte entsprechende Strategien zurechtlegen statt mit Tricks versuchen, sozialen Interaktionen auszuweichen, wie zu spät zu kommen oder so zu tun, als ob sie mit Nachrichten auf dem Mobiltelefon beschäftigt sind. Sie können sich sozusagen selber überlisten, wenn sie zum Beispiel eine genau strukturierte Rolle übernehmen und sich als Helfer nützlich machen. Oder sie treffen früher ein, wenn die Zahl der Anwesenden noch überschaubar und weniger abschreckend ist.

Auch Sylvia Löhken, die sich in ihrer Beratungstätigkeit auf «leise Menschen» spezialisiert hat, findet, dass es gerade in einem frühen Stadium der Karriere lohnenswert sei, offizielle Aufgaben an Anlässen zu übernehmen. Das erleichtere nicht nur das Netzwerken, sondern signalisiere auch die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.

Solche Strategien sind allemal vielversprechender statt ausschliesslich auf digitale Netzwerke zu setzen. Diese kommen den Introvertierten zwar entgegen. Doch «Netzwerken wirkt nur, wenn die Kontakte und das Profil auch gepflegt werden», so Sylvia Löhken. Die Qualität der Kontakte ist entscheidend. Eine banale Feststellung, die aber im Zeitalter von Facebook, Xing und Co. neue Bedeutung erhält. Das unkomplizierte Vernetzen per Mausklick verleitet User dazu, möglichst viele Kontakte zu sammeln – was dann mit Netzwerken nicht mehr viel zu tun hat.

Devora Zack: Networking für Networking-Hasser. Gabal-Verlag, 2012.

(Photo: iStock)