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Entscheiden Sie selber!

Veröffentlicht am 27.05.2017
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Die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten verlangen Entscheide. Warum tun sich damit viele Menschen schwer?
 
Von Manuela Specker
 
Wir treffen jeden Tag dutzende Entscheide, die meisten davon unbewusst oder zumindest ohne Auswirkungen, die über den Tag hinausgehen – sofort aufstehen oder weiterdösen? Das blaue oder das schwarze Hemd? Das vegetarische Menü oder doch lieber mit Poulet? Kino oder Fernsehabend zu Hause?
 
Wenn es allerdings um die eigene berufliche Karriere geht, ist es oft vorbei mit der Entscheidungsfreudigkeit. Dann drückt das Gewohnheitstier durch: Lieber im Altbekannten verharren und neue Wege gar nicht erst in Betracht ziehen.
 
Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, lohnt es sich, die Fehlüberlegungen zu verstehen, die hinter den Entscheidungsprozessen stehen. Ein verständliches Beispiel ist das gut erforschte Anlegerverhalten: Menschen neigen dazu, Verluste stärker zu fürchten als sich auf einen möglichen Gewinn zu freuen.
 
Wer heute in Aktien investiert und in einem Jahr feststellt, dass die Kurse gesunken sind, empfindet dies als schweren Schlag. Kauft der potenzielle Anleger keine Aktien und steigen deren Kurse weiter, so bedauert er dies zwar auch. Das damit einhergehende negative Gefühl ist jedoch weit weniger intensiv. Diese offensichtliche Verlustaversion führt dazu, dass Aktien, deren Wert steigt, viel schneller verkauft werden als Aktien, deren Wert im Sinkflug ist.
 
Hinzu kommen die eigenen Erfahrungen, die in die Entscheide miteinbezogen werden: Wem noch die Kursabstürze aus den Jahren 2000 und 2008 in den Knochen sitzen, wird vor allem das Risiko eines erneuten Crashes fürchten. Wer aber alleine auf solche Erfahrungen abstellt, nimmt die Wirklichkeit zwangsläufig verzerrt wahr.
Was bedeuten diese mentalen Prozesse der Entscheidungsfindung im beruflichen Kontext? Auch dort werden positive wie negative Folgen überschätzt. Das erhöht die Gefahr, dass am Ende gar nicht entschieden wird. Wer sich zum Beispiel beruflich verändern möchte, stellt oft die damit verbundenen Unsicherheiten in den Vordergrund und unterschätzt, wie sehr sich Menschen an die neuen Umstände anpassen und daraus neues Entwicklungspotenzial schöpfen.
 
Die Entscheidungsschwäche ist letztlich auch eine Frage der Opportunitätskosten: Wer viel Geld in eine Ausbildung investiert hat, macht oft auf diesem Weg weiter, selbst wenn er merkt, dass sich die beruflichen Wünsche verändert haben. Dieses Sicherheitsdenken hat allerdings einen hohen Preis immaterieller Art: Unzufriedenheit und Gefühle der Entfremdung, weil die Art und Weise, wie das Geld verdient wird, nicht mehr mit dem Innenleben übereinstimmt.   
 
Überhaupt, das liebe Geld, das überschätzt wird. Anstatt etwas an der beruflichen Situation zu verändern, träumen viele lieber von einem Lottogewinn, um jederzeit den Job hinschmeissen zu können. Damit tappen sie bereits in die nächste Falle – nicht nur, weil Geld für die eigene Zufriedenheit überbewertet wird. Die vorübergehende materielle Unsicherheit, die mit einem Veränderungsentscheid einhergehen mag, wird nämlich ebenfalls bedeutend höher gewichtet als der langfristige Gewinn, der erst durch eine Veränderung möglich wird, sei es in emotionaler oder materieller Hinsicht.
 
Aus Angst vor Verlusten wird also auch im Kontext der eigenen beruflichen Entwicklung mitunter ziemlich unvernünftig entschieden: Bevorzugt wird die Variante, die kurzfristig vielversprechender erscheint als jene, die vielleicht eine Durststrecke beinhaltet, aber dafür mehr den eigenen Wünschen entspricht.
 
Patentrezepte für den richtigen Entscheid gibt es keine. Vernünftig ist daher, sich vom Gedanken zu verabschieden, dass es nur die eine richtige Lösung gibt. Denn am risikoreichsten ist auf jeden Fall, sich gar nicht zu entscheiden – und dadurch irgendwann von aussen eine Veränderung aufgezwungen zu bekommen.


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