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Ferien – Herausforderung der besonderen Art

Veröffentlicht am 08.03.2019 von Manuela Specker - Bildquelle: GettyImages
Ferien – Herausforderung der besonderen Art

Ferien beziehen ist eine Kunst, die nicht alle beherrschen. Das mündet im schlimmsten Fall in Erschöpfungszuständen. Was hat es mit der Ferien-Aversion auf sich?

Obwohl der Ferienanspruch gesetzlich geregelt ist (siehe Kasten), schaffen es längst nicht alle, ihre freien Tage auch innerhalb eines Jahres zu beziehen. Und so häufen sich die übrig gebliebenen Tage auf dem Ferienkonto von Jahr zu Jahr zu einem Reservepolster an, das bisweilen die Dauer der Kündigungsfrist überschreitet   – eine Tatsache, die Firmen nur schon aus betrieblichen und buchhalterischen Gründen nicht gerne sehen.

Intern versuchen sie Gegensteuer zu geben, indem beispielsweise maximal zwei Wochen auf das neue Jahr übertragen werden dürfen. Vom Gesetz her verfallen Ferien allerdings erst nach fünf Jahren. Da immer zuerst die älteren Ferien bezogen werden, kommt dieses Szenario selten zum Tragen. Viel eher werden die übrig gebliebenen Ferien am Ende des Arbeitsverhältnisses ausbezahlt.

Das ist aber nicht der Sinn der Sache: Ferien sind zum Erholen da. Wie eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstitutes GfK in den USA zeigt, berichten Mitarbeitende, die ihre Ferientage verfallen lassen, häufiger von Stress bei der Arbeit. In den USA ist dieses Problem besonders evident, weil das Gesetz dort – anders als in der Schweiz – keine bezahlten Ferien vorschreibt. Interessant ist, weshalb Mitarbeitende in den USA auf Ferien verzichten. So fürchten sie, dass sich bis zu ihrer Rückkehr viel Arbeit anstaut (43 Prozent). An zweiter Stelle folgt die Annahme, dass niemand sie vertreten könne (34 Prozent). Jeder vierte möchte mit dem Freizeitverzicht zudem demonstrieren, dass er besonders engagiert ist.

Es sind dies alles Gründe, die auch in Ländern wie der Schweiz, wo der Ferienanspruch gesetzlich geregelt ist, dazu führen, dass nicht der volle Anspruch innerhalb eines Jahres bezogen wird.  Um diesem Phänomen näher auf den Grund zu gehen, braucht es sowohl eine betriebliche als auch eine individuelle Perspektive.

Nehmen wir das Beispiel der Unentbehrlichkeit: Wenn Mitarbeitende weniger Ferien nehmen, weil sie denken, in ihrer Abwesenheit laufe alles schief, kann das mit persönlicher Überschätzung der eigenen Bedeutung zu tun haben – aber eben auch damit, dass sie befürchten, jederzeit ihren Job verlieren zu können. „Sie denken, dass sie für überflüssig angesehen werden, wenn der Arbeitgeber feststellt, dass der Betrieb auch in ihrer Abwesenheit bestens funktioniert“, sagt Jonathan Maude, Partner der Londoner Anwaltskanzlei Vedder Price gegenüber der „Financial Times“.

Das Ferienverhalten kann also immer auch sinnbildlich für die Kultur in einem Unternehmen stehen. John Lees, Autor des Buches“ „How to Get a Job You Love“, macht auf den Widersprich aufmerksam, dass Firmen den Mitarbeitenden zwar oft nahelegen, unbedingt Ferien beziehen zu müssen, aber gleichzeitig verlangen sie eine konstant hohe Produktivität. Wenn sich nach den Ferien Berge von Pendenzen auf dem Pult türmen, ist es kein Wunder, wenn Angestellte es als stressvoll empfinden, Ferien zu nehmen.

Die grossen Hürden für den Ferienbezug können aber auch Ausdruck der eigenen Unfähigkeit sein, delegieren zu können. Es sind längst nicht immer betriebliche Gründe, die aus Mitarbeitenden Ferien-Verweigerer machen. Manche wissen auch nicht, was sie in der freien Zeit mit sich anfangen sollen und stürzen sich lieber in die Arbeit. Im schlimmsten Fall nehmen sie offiziell Ferien, arbeiten aber klammheimlich trotzdem weiter. Das dürfte früher oder später gesundheitliche Folgen haben, bis hin zum Burn-out. Deshalb ist elementar, dass Führungskräfte dies zu verhindern suchen – und nicht etwa selber ein schlechtes Beispiel abgeben. Es empfiehlt sich, Anfang Jahr von allen Mitarbeitenden eine Ferienplanung zu verlangen. Werden die Ferien bereits Anfang Jahr bestimmt, ist die Chance höher, dass sie tatsächlich genommen werden.

Gesetzlich geregelt
Arbeitnehmende haben in der Schweiz Anspruch auf mindestens 4 Wochen Ferien pro Jahr, das ist gesetzlich vorgeschrieben. In manchen Firmen, oder je nach Alter, werden auch fünf oder sechs Wochen Ferien pro Jahr gewährt. Über den Zeitpunkt der Ferien hat grundsätzlich der Arbeitgeber das letzte Wort, doch ist er angehalten, auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmenden Rücksicht zu nehmen. Das Obligationenrecht hält fest, dass mindestens zwei Wochen am Stück bezogen werden müssen. Es ist dies eine Regelung zum Schutz der Angestellten: Ferien sind zum Erholen da und um Energie aufzutanken. Beziehen Arbeitnehmende über ganze Jahr verteilt nur Einzeltage, können sie nie richtig vom Job abschalten.