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Hirn aus, Beamer ein

Veröffentlicht am 14.08.2016
Hirn aus, Beamer ein
An Power-Point-Präsentationen scheint kein Weg vorbei zu führen. Dabei sind die Folien kontraproduktiv.    Von Manuela Specker
Power Point ist überall, ob an Meetings, Verhandlungen, Schulungen, Vorlesungen oder im Unterricht. Es wird schon gar nicht mehr überlegt, ob es andere Präsentationstechniken gäbe, die effektiver wären. Alle hantieren aus reiner Gewohnheit mit den Folien, selbst wenn das Publikum dabei einschläft. Diese Gefahr ist bei Power-Point-Präsentationen tatsächlich nicht von der Hand zu weisen – gerade bei Referenten, denen die Folien vor allem als eigene Gedankenstütze dienen und dann einfach ablesen.
 
Die Kritik an Powerpoint ist nicht neu. Bereits 2003  schrieb der Yale-Professor und Experte für Informationsdesign Edward Tufte, dass Powerpoint dumm mache, weil es die Unsitte fördere, die Zuhörenden mit nichtssagenden Info-Grafiken zu überhaufen. Powerpoint erziehe die Menschen dazu, Texte zu überfliegen und Listen zu vertrauen anstatt dem eigenen Menschenverstand. Oder wie es der aufs Wissensmanagament spezialisierte Berater  Richard Grasshoff formulierte: „Mit Powerpoint lassen sich Geschichten so immanent erzählen, dass der Zuhörer und Zuschauer keine Option, die nicht in der Slideshow vorkommt, für real hält.“
 
Auch ist Powerpoint geradezu prädestiniert dafür, sogenanntes „Bullshit Bingo“ zu betreiben, also mit leeren Managerfloskeln um sich zu werfen. Da fallen inflationär Begriffe wie Exzellenz, Potential, Performance, Evaluation, Corporate Identity, Pros und Contras  – der Inhalt aber, der bleibt leer.
 
Trotz immer wieder aufflackernder Kritik ist diese Präsentationstechnik 13 Jahre später etablierter denn je. Gemäss Berechnungen von Bloomberg starten weltweit jede Sekunden 350 Power-Point-Präsentationen. Schon die Studierenden fordern Powerpoint geradezu ein, weil sie dann auf die Prüfung hin die Folien auswendig lernen können. Wer mit Power Point gross geworden ist, hinterfragt diese Methode nicht mehr.
 
In zahlreichen Firmen und an Veranstaltungen dösen die Zuhörenden vor sich hin, weil sie einen nicht mehr enden wollenden Foliensatz über sich ergehen lassen müssen. Sollten wir es vielleicht doch mehr mit dem mittlerweile verstorbenen Apple-Gründer Steve Jobs halten, der kein Geheimnis aus seiner Verachtung für die Folienpräsentation machte? „Menschen, die wissen, worüber sie sprechen, brauchen kein Powerpoint“, pflegte er zu sagen.
 
Natürlich ist Powerpoint nicht einfach des Teufels. Tatsache aber ist, dass die Folien viele dazu verleiten, inhaltsleere Botschaften von sich zu geben, in der Präsentation unkreativ nach Schema F vorzugehen und keinen Platz zu lassen für spontane Einfälle oder witzige Bemerkungen. Genauso ermüdend sind aber auch Referenten, die von ihrem Spickzettel ablesen oder die monoton reden und schwerfällig formulieren.
 
Letztlich geht es nicht so sehr darum, ob ein Vortrag mit Folien gespickt ist oder nicht, sondern dass sie richtig eingesetzt werden. Gute Präsentationen verwenden Bilder, Grafiken oder Filme, um das zu zeigen, was sprachlich nicht besser dargestellt werden könnte. Eine weit verbreitete Unsitte ist es, die Folien völlig zu überladen. Dabei ist es wichtig, dass die Zuhörenden alles auf einen Blick erfassen, damit die Aufmerksamkeit wieder beim Referenten ist. Die Grundregel lautet: Auf jeder Folie sollten nicht mehr als sechs Zeilen Text stehen, am besten in Form von Stichworten und kurzen, klaren Aussagen. Powerpoint soll einen Redner immer nur unterstützen und darf ihn keinesfalls ersetzen. Der Bildungsforscher Christoph Wecker hat 40 Untersuchungen zum Thema Power Point ausgewertet. Dabei stiess er auf ein immer wiederkehrendes Muster: Weil der Fokus bei den Zuhörenden auf den Folien liegt, werden die Inhalte schneller vergessen. Das eigentliche Problem ist also nicht Powerpoint, sondern dass das Tool falsch eingesetzt wird - das Programm ist immer nur das Instrument.

Bildquelle: Thinkstock