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Im Glücksstress

Veröffentlicht am 18.09.2016
Im Glücksstress
Der Job soll nicht nur die Existenz sichern, sondern auch glücklich machen. Wie geht das zusammen?   Von Manuela Specker
Die Universität Freiburg (D) veröffentlicht regelmässig einen Glücksatlas. In dieser Umfrage gibt es eine auffällige Konstante: Stimmts bei der Arbeit, sind die Befragten grundsätzlich mit dem Leben zufrieden. Die Gesamtzufriedenheit hängt – wenig überraschend - stark von der Situation im Job ab.
 
Das ruft eine Reihe von Glücksgurus auf den Plan, die nach immer mehr Selbstoptimierung schreien. Denke positiv! Setze dir Karriereziele! Verfolge sie hartnäckig! Diese einseitige Sichtweise auf die Arbeitssituation verkennt, dass sich die Huhn-Ei-Frage auch hier stellt: Wer mit sich selber im Reinen ist, weiss auch eher, welches Arbeitsumfeld ihm guttut – und geht entsprechende Wege. Wer umgekehrt seine Zufriedenheit vom Job abhängig macht und sein Heil in den üblichen Karriereratschlägen sucht, landet schnell in der Selbstoptimierungsfalle.
 
Dagegen schreibt der Berater und Coach Peter Plöger in seinem neuen Buch „Glücksstress“ fulminant an. Anstatt blind irgendwelchen Karriere-Ratgebern zu folgen, plädiert er für die „Entdeckungstour“: Besser Musse zulassen und dem Zufall Raum geben, anstatt dem Machwahn und Glücksstress zu erliegen. Diese Strategie erscheint nur schon deshalb vielversprechend, weil in der heutigen Arbeitswelt immer weniger plan- und voraussehbar ist.
 
Musse ist dabei nicht gleichzusetzen mit Nichtstun. Vielmehr geht es darum, Dinge zu tun, die keinen unmittelbaren Nutzen haben, die aber für ein stimmiges Lebensgefühl sorgen. „Dazu braucht es ein wenig Mut. Den Mut, weiterzugehen, auch wenn Sie den Weg nicht vollständig einsehen können“, schreibt Plöger. Anstatt vorgefertigten Regeln zu folgen, empfiehlt er, sich auf den Entdeckerweg zu machen. „Die Gewohnheit an die Kontrollitis hindert uns allerdings daran, die Entdeckerneugier so weit zu praktizieren, wie es eigentlich gut wäre.“
 
In der Tat ist es weit verbreitet, in Jobsituationen zu verharren, gerade weil man endlich erreicht hat, was man schon immer wollte – anstatt sich von neuem zu fragen, ob die einmal gesetzten Ziele tatsächlich noch den eigenen Bedürfnissen entsprechen. Handlungsunfähigkeit ist ein typisches Merkmal: Die Betroffenen wissen, dass sie eigentlich neue Impulse brauchten, bleiben aber aus lauter Gewohnheit oder aus Prestigegründen in der aktuellen Jobsituation.
 
Peter Plöger spricht von sogenannten Entscheidungskrisen, die gerade jene Menschen betreffen, die gerne und oft über alles Mögliche nachdenken. „Sie geraten schnell in eine Grübelspirale, drehen immer neue Kreise und gelangen nicht zum Handeln. Handeln wäre aber genaue eine Methode, wichtige Erfahrungen zu machen und an Informationen zu gelangen, welche die Entscheidung erleichtern würden.“
 
Berufstätige unterliegen dem immer gleichen Denkfehler: Sie denken, das Endziel bereits kennen zu müssen, anstatt kleine Schritte in eine bestimmte Richtung zu machen, ohne alle mittel- und langfristigen Folgen des eigenen Handelns zu kennen. Warum nicht einmal eine ehrenamtliche Tätigkeit annehmen, die mit den eigenen Leidenschaften zu tun hat? Oder eine Weiterbildung aus reinem Interesse besuchen? „Der Zweck der Experimente ist es, einem guten Job möglichst nahe zu kommen“, so Plöger. Hilfreich dafür ist zweifellos Distanz zur gegenwärtigen Jobsituation – es muss ja nicht gleich eine mehrmonatige Auszeit sein. „Der berühmte Knoten platzt am ehesten mit Abstand zur Arbeitsroutine und zu den Entscheidungsproblemen, die ein angehender Wandel mit sich bringt.“ Dabei lohnt es sich, Faktoren wie Einkommen nicht zu stark zu gewichten. Natürlich, ein Job muss existenzsichernd sein. Aber gerade mit steigendem Einkommen neigen die Menschen dazu, den Faktor Geld zu überschätzen.
 
((Buchhinweis)): Peter Plöger: Glücksstress. Carl Hanser Verlag München, 2016.  

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