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Offline zum Karrieresprung

Veröffentlicht am 10.05.2015
Handy-Pause - Offline zum Karrieresprung - myjob.ch
Nicht ohne mein Handy? Gelegentliches Abschalten zahlt sich auch beruflich aus.
Ständig auf Standby: Wer zu sehr mit seinem Handy verwachsen ist, stört die eigene Konzentrationsfähigkeit empfindlich.

Von Manuela Specker
 

Es gab einmal eine Zeit, da wurden Manager, die in der Öffentlichkeit mit ihren Black Berrys hantierten, belächelt. Immer und überall online dank winziger Tastatur und Bildschirm – das schien irgendwie übertrieben. Heute wird belächelt, wer kein Smartphone hat und wer nicht in der Lage ist, jederzeit auf E-Mails zuzugreifen. Längst hat das Gerät seinen Nimbus als Statussymbol verloren. Die Folgen sind bekannt: vom Extremfall Online-Sucht bis hin zur verlorenen Fähigkeit, ab und zu abschalten zu können – in Gedanken, aber auch das Handy selber.
 
Eine Umfrage des deutschen High-Tech-Verbandes Bitkom zeigt, wie sehr die Handy-Manie verbreitet ist: Fast ein  Drittel der befragten Erwerbstätigen sind mittlerweile rund um die Uhr erreichbar. Es fällt zudem auf, dass mehr als 60 Prozent der Unternehmen, in denen die Befragten arbeiten, keinerlei Vorgaben kennen, wann Mitarbeitende elektronisch erreichbar sein sollen und wann nicht. Eine weitere Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstitutes YouGov förderte zu Tage, dass es für 41 Prozent der Beschäftigten normal ist, auch während der Ferien von der Firma kontaktiert zu werden. Doch permanent auf Standby sein, das kann auf die Dauer nicht gut gehen. „Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten klare Vereinbarungen über Arbeitszeiten und Erreichbarkeit treffen“, meint Bitkom-Präsident Dieter Kempf – zumal es für viele Berufstätige keine klare Trennung mehr gibt zwischen Arbeit und Freizeit.
 
Es scheint, dass sich die technologischen Möglichkeiten schneller entwickeln, als der Mensch lernen kann, vernünftig damit umzugehen. In der Fachwelt hat sich für die enge und daher bisweilen ungesunde Beziehung zum Handy bereits ein Begriff etabliert: Nomophobie. Das steht für „No-Mobile-Phone-Phobia“ und bezeichnet die Angst, etwas zu verpassen, wenn das Handy mal nicht in Griffnähe ist und man dadurch für das soziale Umfeld nicht unmittelbar erreichbar ist.  Dass die Handylosigkeit tatsächlich phobische Reaktionen mit körperlichen Symptomen hervorruft, konnte in mehreren Studien nachgewiesen werden.
 
So mussten Studierende in einer Untersuchung der University of Oklahoma einfache Wortpuzzles lösen, während ihr Blutdruck und ihre Herzfrequenz gemessen wurden. Zuerst erledigten sie die Aufgabe mit dem iPhone in der Tasche, musste es dann aber weglegen. Sie wurden im Glauben gelassen, das Telefon störe die Blutdruck-Messungen. In Tat und Wahrheit ging es aber darum, die Reaktionen zu messen, wenn das Telefon nicht mehr greifbar ist.
 
Die Ergebnisse lassen keine Zweifel offen. Sobald ihnen die Telefone abgenommen wurden, stiegen Blutdruck und Puls, und die Konzentrationsfähigkeit liess deutlich nach – vor allem, wenn sie aufs Telefon angerufen wurden, den Anruf aber wegen des Tests nicht annehmen konnten. „Sobald sie das Telefon wieder in der Tasche hatten, waren alle Daten normal“, berichtet der Studienleiter Glenn Leshner. Bei den nachfolgenden Befragungen bestätigten die Probanden die Messung. Ohne iPhone waren sie besorgt und ängstlich, und sie fühlten sich abgelenkt. Entsprechend schnitten sie im zweiten Wortpuzzle deutlich schlechter ab als beim Ersten, als sie noch im Besitz ihres Telefons waren.
 
Auch in neurologischer Hinsicht ist die Handy-Abhängigkeit problematisch. Heute ist unbestritten, dass ständige Unterbrechungen die Konzentration massiv beeinträchtigen.  Der deutsche Philosoph Christoph Türcke spricht von Aufmerksamkeitsdefizit-Kultur; Erwachsene trainieren sich eine Art ADHS an, da sie sich ständig von mobilen Kommunikationsmitteln ablenken lassen. Nach einer Ablenkung von rund 30 Sekunden braucht es aber etwa 5 bis 15 Minuten, bis man wieder konzentriert bei der Sache ist. Auf Dauer verändert diese ständige Hin und Her die Hirnstrukturen. Der renommierte Hirnforscher Gerald Hüther findet klare Worte: “Multitasking beeinträchtigt Gedächtnis und Lernfähigkeit.“

Nomophobie
Der Begriff Nomophobie geht auf eine Umfrage der englischen Post aus dem Jahr 2008 zurück. Mehr als 2100 britische Handy-Nutzer wurden nach ihren emotionalen Reaktionen bei leerem Akku oder null Empfang befragt. Rund 50 Prozent der Befragten berichteten von angstvollen Gefühlen und begründeten diese mit dem fehlenden Kontakt zu Freunden, Familie oder Geschäftspartnern.
 

Foto: Thinkstock