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Schlips bleibt im Schrank

Veröffentlicht am 28.12.2014
Schlips bleibt im Schrank - Krawatte ja oder nein - myjob.ch
Der Umgang mit der Krawatte in der Geschäftswelt ist lockerer geworden
Krawatte ja oder nein? Diese Frage hat schon manchen Männern Kopfzerbrechen bereitet.  Von einigen Ausnahmen abgesehen ist der Schlips nicht mehr relevant für das berufliche Weiterkommen.
 
Von Manuela Specker

 

Daniel Müller ist Bankdirektor, aber einer ohne Krawatte.  Das ist möglich, weil er für die Ersparniskasse Speicher (AR) tätig ist, der kleinsten Bank der Ostschweiz. In einer grossen Bank dürfte er zweifellos nicht ohne Schlips herumlaufen. In der Tat zählt die Bankenwelt zu jenen Branchen, in denen je nach Position das Tragen einer Krawatte zwingend ist. Nicht nur die Stellung in der Hierarchiestufe, auch das Vorhandensein von Kundenkontakten ist oft massgebend, wenn es um die Frage geht, ob sich der Mitarbeiter einen Schlips umbinden soll oder nicht.
 
Ausserhalb der Banken- und Versicherungsbranche hat die Bedeutung der Krawatte aber abgenommen. Silvan Felder, Inhaber und Geschäftsführer der Verwaltungsrat Management AG, beobachtet jedenfalls seit einiger Zeit, dass sich der Umgang mit dem Thema Krawatte gelockert hat. „Wer adäquat gekleidet ist, aber die Krawatte weglässt, strahlt deshalb nicht weniger Seriosität aus.“
 
Das kann auch als Nachwirkung der Finanzkrise gesehen werden, als der Bankensektor im Kreuzfeuer der Kritik stand: „Der Fokus ist heute weniger auf das rein Äusserliche gelegt, sondern mehr auf die Frage, was in der Hülle steckt. Anzug und Krawatte stehen nicht mehr automatisch für Zuverlässigkeit“, so Silvan Felder. Vielmehr könne es heute als Courage ausgelegt werden, wenn jemand sich nicht nur über den Schlips definiert und dieses Accessoire weglässt.
 
In England ist ein Arbeitsgericht sogar zum Schluss gekommen, dass der Krawattenzwang für Männer eine Diskriminierung darstellen kann. Ein 32-jähriger Mann hatte dagegen geklagt, dass er in Anzug und Krawatte in seinem Büro erscheinen musste, während die Arbeitskolleginnen T-Shirts tragen durften.
 
Die Tatsache, dass die Krawatte an Bedeutung verloren hat, macht es für Männer nicht einfacher, im Gegenteil: viel eher laufen sie heute Gefahr, „overdressed“ zu sein.  Dieses Problem stellt sich nicht zuletzt im Vorstellungsgespräch.  Auf Nummer sicher geht, wer sich so kleidet, wie er auch an die Arbeit erscheinen würde.
 
„Business Casual“ lautet der neue Trend in der Arbeitswelt. Gerade an heissen Sommertagen ist der Krawatten-Zwang sowieso häufig ausser Kraft gesetzt – wenn es denn überhaupt einen gibt. Zur Lockerung des Krawattenzwangs hat auch die sogenannte Dot.com-Generation beigetragen: Internet-Firmen, die sich per se gerne jenseits bürgerlicher Konventionen bewegen.
 
Die meisten Firmen appellieren an die Vernunft im Umgang mit dem Dresscode. „Zu viel des Guten – oder in diesem Fall zu viel der guten Umgangsformen – kann unbewusst Distanz schaffen und Menschen auf Abstand halten“, so die Knigge-Expertin Carolin Lüdemann. Sie erwähnt das Beispiel eines Unternehmensberaters, der in schwarzem Anzug, weissem Hemd und roter Krawatte perfekt gekleidet für ein Gespräch mit einem Manager ist – nicht aber für den Dialog mit einem Mitarbeitenden aus der Fertigung. So ein Outfit schaffe in Windesweile Distanz und würde einem vertrauensvollen Austausch im Weg stehen. Knigge-Regeln hin oder her: Entscheidend sei das Fingerspitzengefühl für Menschen, für Situationen und für die Erwartungen, die sich daraus ergäben. „Gutes Benehmen ähnelt keineswegs einem steifen Korsett“, so Carolin Lüdemann.
 
Dos and don`ts
 
  • Wenn Krawatte, dann nur zu einem Anzug. Die Kombination Schlips und Jeans gilt schon fast als Sakrileg – ebenso, eine Krawatte mit einem Kurzarm-Hemd zu kombinieren.
  • Die Krawatte darf weder zu kurz noch zu lang sein. Ihre Spitze muss den Knopf des Hosenbundes überdecken bzw. in der Mittel der Gürtelschnalle enden
  • Über die Musterung der Krawatte streiten sich die Geister. Unbestritten ist: dezente Streifen sind grossflächigen Punkten auf jeden Fall vorzuziehen.
  • Idealerweise nimmt die Farbe der Krawatte einen Farbton des Anzug oder des Hemdes auf – nur identisch mit Hemd und Anzug sollte sie nicht sein.
  • Die Wahl des richtigen Knotens hängt nicht nur von der Breite der Krawatte ab, sondern auch von der Kragenform des Hemdes. Eine gute Übersicht mit entsprechenden Tipps liefert die Homepage www.krawattenknoten.org
Foto: Thinkstock