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Alter - Damit das Alter kein Killerkriterium wird

Veröffentlicht am 10.02.2014
Alter - Damit das Alter kein Killerkriterium wird - myjob.ch
Bis zu 60 000 Personen über 50 könnten eine Stelle haben – Experten fordern gezieltes Coaching  
Wer über 50 ist und seine Stelle verliert, fasst auf dem Arbeitsmarkt nur schwer wieder Fuss. Warum das Alter bei der Jobsuche ein Risiko ist. Und wie man seine Chancen dennoch intakt hält.
 
Von Vera Sohmer



Liegen Dutzende von Bewerbungen auf dem Tisch, entscheidet oft das Alter in der ersten Runde. Oder anders gesagt: Es wird zum Killerkriterium. Warum, können sich auch jene nicht recht erklären, die entscheiden müssen. Es schwingt etwas Diffuses mit. „Ist die Auswahl gross, nehme ich lieber einen Jüngeren, weil ich ihm mehr Power zutraue, obwohl er vielleicht gar nicht mehr davon hat“, sagt der Chef einer Werbeagentur. „Ältere Bewerber betrachten wir mit einer gewissen Skepsis“, bestätigt ein Anwalt mit eigener Kanzlei, obschon er selbst auf die 60 zugeht. Eine 55 Jahre alte Sekretärin am Empfang? Was macht das denn für einen Eindruck?

Vorurteile, die Tino Senoner nicht interessieren. Ihn interessieren Fakten. Senoner hat vor mehreren Monaten den Bereich „50 plus“ der Stiftung Speranza übernommen. Er dokumentiert darüber hinaus seit 2004 das Rekrutierungsverhalten von Schweizer Firmen. Demnach werden 50-plus-Leute nicht häufiger entlassen als Jüngere, zumindest gibt es dafür keinen eindeutigen Beleg. Aber: Wenn Ältere ihre Stelle verlieren, haben sie massive Probleme, etwas Neues zu finden. Mehr als 40 Prozent der Langzeitarbeitslosen sind über 50 – und von der Aussteuerung bedroht. Dieses Problem, sagen Fachleute, hat sich zugespitzt in den letzten drei Jahren und dürfte sich noch verschärfen.

Dass Firmen grundsätzlich keine Leute über 50 nehmen, auch dies stimmt nach Senoners Beobachtungen nicht. Aber will jemand eine Stelle, sind die Erwartungen viel höher. Bewirbt sich ein älterer Verkaufsleiter, hat er durch seinen perfekten Auftritt und seine tadellosen Umgangsformen zu überzeugen. Er muss wissen, wie der Markt läuft, der Kunde tickt. Aus diesem Erfahrungsschatz muss er schöpfen, diese Trümpfe ausspielen, selbstbewusst und bestimmt. Er sollte seinen Mehrwert gegenüber Jüngeren betonen.

Sich verkaufen, damit tun sich Ältere schwer, sagt Susann Mösle-Hüppi, Geschäftsführerin des Vereins FAU - Fokus Arbeit Umfeld. Dieser coacht hoch qualifizierte Arbeitslose im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft, Seco. Reifere Semester pflegen gute, alte Tugenden, üben sich in Bescheidenheit und Zurückhaltung. Und wenn sie sich anpreisen, dann unter Wert nach dem Motto: „Ja, das habe ich auch schon einmal gemacht.“ Und was tut man bei zwei vergleichbaren Produkten? Nicht einmal unbedingt das günstigere nehmen, sondern jenes, das besser beworben wird. Die Jungen beherrschen die Selbstvermarkung gut. Sie sind forsch und fahren die Ellbogen aus, um sich durchzusetzen gegen die Mitbewerber.

Was erschwerend hinzu kommt: Lange Einarbeitungszeiten, das war gestern. Noch vor ein paar Jahren hat eine gewisse Ausbildung gereicht, man hat sich "on the job" weitere Fertigkeiten angeeignet und konnte sich so innerhalb einer Firma hocharbeiten bis in die Führungsetage. Heute hingegen müssen Neue sofort einsetzbar sein, ein passgenaues Profil haben. Bitter ist es deshalb für jene, die zwar gut, aber falsch ausgebildet sind. Oder für Fachleute auf einem veralteten oder ausgelagerten Gebiet. Was fängt eine Firma an mit einem Top-Spezialisten, den sie nirgends mehr einsetzen kann? Dessen Berufsbild verschwunden ist, so wie in der sich rasant veränderten IT-Branche. Oder dessen Zuständigkeitsbereich ins Ausland verschoben wurde, so wie das gesamte Backoffice einer Bank.

Laut Schätzungen könnten 50 000 bis 60 000 Personen über 50 eine Stelle haben, würden sie die richtige Qualifikation mitbringen. Oder vielmehr: Hätten sie ihr Know-how rechtzeitig auf die veränderten Marktbedürfnisse angepasst. Karriere-Coaches raten: Spätestens ab 35 sollte man sich alle drei bis fünf Jahre fragen: Welche Arbeitsfelder haben Zukunft? Ist mein Profil morgen noch gefragt? Wenn nein: Was muss ich tun, um arbeitsmarktfähig zu bleiben? Vielen Berufsleuten fehlt das Bewusstsein dafür. „So wie es an gutem Coaching und geeigneten  Weiterbildungskonzepten mangelt“, sagt Tino Senoner.

Susann Mösle-Hüppi empfiehlt Älteren: Selbst aktiv bleiben und sich nicht zu stark auf Headhunter verlassen. Und Chancen ergreifen, mögen sie auch nichtig erscheinen. Ein kleines Mandat kann sich als Türöffner zum neuen Job erweisen. Allerdings müssen Bewerber und Bewerberinnen oft ein tieferes Niveau in Kauf nehmen. Sie erledigen zum Beispiel Projektarbeit statt Führungsaufgaben, und dies bei schlechterer Bezahlung. Für besonders gut Qualifizierte heisst es, sich vom bisherigen Werdegang zu verabschieden.
 
Neue Plattform für ältere Stellensuchende: www.save50plus.ch/
Verein FAU - Fokus Arbeit Umfeld: www.fau.ch