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Gesprächskultur statt „Lauschangriff“

Veröffentlicht am 17.05.2018 von myjob.ch - Bildquelle: iStock
Gesprächskultur statt „Lauschangriff“

„Big Brother ist watching you“: Ein Motto, das künftig auch vermehrt in den Betrieben Einzug halten könnte? Für den ganzheitlichen Unternehmenserfolg ist es zielführender, ein Klima des gegenseitigen Vertrauens zu fördern.

Die zur Kommunikation innerhalb von Projekten beliebte Plattform Slack könnte sich bei vielen europäischen Usern Unmut zuziehen. Die EU-Mitglieder stehen vor der Umsetzung einer neuen Datenschutz-Richtlinie, die spätestens am 25. Mai 2018 auf Basis jeweils nationaler Gesetze Rechtskraft erlangt.

Unter anderem sind Anbieter von Internet-basierten Diensten nun verpflichtet, ihren Nutzern auf Anfrage Auskunft darüber zu geben, welche Daten über sie gespeichert werden. Da ein solcher Nutzer eben durchaus auch ein Unternehmen sein kann - welches Dienste wie Slack wiederum seiner Belegschaft zur Verfügung stellt - könnten Dienstgeber auch sensible Nachrichten, die Mitarbeitende einander innerhalb des Systems direkt übermitteln, bequem herunterladen und durchlesen.

Die EU macht’s vor
Mit dieser Datenschutz-Grundverordnung der EU müssen sich aber schweizerische Unternehmen ebenso beschäftigen. Einerseits, wenn sie ihre Dienstleistungen in den EU-Ländern anbieten. Andererseits, weil im Raum steht, dass die Schweiz die Rahmenregelung künftig in ihre eigene Gesetzgebung überführen könnte.

Dass Führungskräfte, die auf die geschilderte Weise sensible Mitarbeiterdaten in die Hand bekommen, diese auch gleich missbräuchlich verwenden, ist wohl nicht in großem Rahmen zu erwarten. Zumindest sollte es in dieser Hinsicht denselben Vertrauensvorschuss geben, den Arbeitgeber ihren Dienstnehmerinnen und Dienstnehmern bei Unterfertigung des Arbeitsvertrags entgegen bringen. Aber wie sieht es mit der grundsätzlichen Zulässigkeit von Überwachung am Arbeitsplatz aus?

Überwachung kann krank machen
Das Staatssekretariat für Wirtschaft schreibt in einer Broschüre: „Für den Schutz der persönlichen Integrität und Gesundheit am Arbeitsplatz gelten gemäss Arbeitsgesetz besondere Spielregeln. Sie verbieten jegliche technische Überwachung, die das individuelle Verhalten von Arbeitnehmenden ständig oder zeitweise erfasst oder aufzeichnet.“     

Zusätzlich zu den moralischen Aspekten eines betrieblichen Lauschangriffs und unter Hinweis auf die geltenden Gesetze wird die Argumentation auch mit gesundheitlichen Bedenken gestützt: „Je nach Arbeitssituation kann das Wissen um die Existenz einer stillen, anonymen Beobachtung und Belauschung ein Gefühl der Sicherheit vermitteln – oder aber psychisch belasten. Wer ständig beobachtet wird, kann sich dadurch bedroht fühlen. Letzteres gilt es zu vermeiden.“

Im Hinblick auf den Persönlichkeitschutz der Arbeitnehmer ist daraus zu schließen: „Jede Überwachungs- und Kontrollmassnahme im Betrieb muss bezüglich ihrem Zweck und ihrer Wirkung (Zumutbarkeit) verhältnismässig sein. Dazu muss in jedem Einzelfall eine Interessensabwägung (Betriebsinteresse versus Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmenden) durchgeführt werden.“

Ansprechen statt belauschen
Wer also den Verdacht hat, dass Mitarbeitende gegen die betrieblichen Interessen agieren bzw. in ihrer Arbeitszeit gänzlich betriebsfremde Dinge erledigen, sollte nicht als erstes die versteckte Kamera installieren. Zielführender ist es, mit den Betroffenen das Gespräch zu suchen - und gegebenenfalls einfach konkrete Leistungsnachweise einzufordern.