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Keiner zu alt, ein Gründer zu sein

Veröffentlicht am 21.07.2013
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Jungunternehmer werden älter – und das ist in vielerlei Hinsicht von Vorteil. Weniger administrative Hürden, interessante berufliche Perspektiven: Mitarbeitende über 50 wagen zunehmend den Schritt in die Selbstständigkeit. - von Manuela Specker -
Ich fühle mich noch zu jung für die regelmässige Fahrt mit dem GA auf die Rigi», sagt Ton Koper. Der 63-jährige ehemalige Werber hat sich stattdessen selbstständig gemacht. Er analysiert seither mit seiner gemeinnützigen Stiftung powerage, wie die Potenziale der älteren Menschen besser auf dem Arbeitsmarkt genutzt werden können. Dabei kann er durchaus von seiner eigenen Situation ausgehen: «Die spannenden Jahre, um sich im Alter einzubringen und nochmals neu mitzumischen, beginnen ja gerade erst.»

So wie Koper denken viele Menschen. Und sie sind je länger, je mehr gewillt, den starren Pensionierungsgrenzen ein Schnippchen zu schlagen: indem sie sich selbstständig machen. Gemäss einer Untersuchung der Fachhochschule Nordwestschweiz werden die Jungunternehmer immer älter. Waren sie vor zehn Jahren im Schnitt 42 Jahre alt, sind sie heute 45 Jahre.

Dieser Trend bestätigt ein Blick in die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung 2011: Mit rund 259 000 Personen findet sich der grösste Anteil an Selbstständigerwerbenden bei den 40- bis 54-Jährigen. Seit den Neunzigerjahren ist deren Zahl kontinuierlich gestiegen, und mittlerweile stellen sie im Vergleich zu den 25- bis 39-Jährigen mehr als doppelt so viele Unternehmer.

Diese Zahlen sind natürlich auch Abbild des demografischen Wandels. Bei rückgängigen Geburtenzahlen stehen weniger junge Menschen zur Verfügung, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Zugleich ist die Lebenserwartung gestiegen, sodass es immer wahrscheinlicher wird, mit fünfzig nochmals einen Neuanfang als Jungunternehmer zu
wagen.

Es wird also höchste Zeit, das Bild des Jungunternehmers zu revidieren: Er kommt nicht mehr zwingend direkt aus dem Hörsaal, sondern kann Dutzende von Jahren als Angestellter auf dem Buckel haben. Wider Erwarten unterscheiden sich die Älteren hinsichtlich der Motive nicht von den Jüngeren. Es sind nicht etwa in erster Linie fehlende berufliche Alternativen oder drohende Arbeitslosigkeit, welche sie in die Selbstständigkeit führen, sondern es sind höchst intrinsische Gründe.

Die Karriereberaterin Susanne Wieseneder, die sich auf die berufliche Neuorientierung nach fünfzig spezialisiert hat, nennt vor allem das selbstbestimmte Arbeiten, das Umsetzen einer Geschäftsidee, Flexibilität sowie Sinnfindung. Auch sie stellt fest, dass ältere Menschen beruflich zunehmend eigene Wege gehen. «Der vordefinierte Weg in einem grossen Konzern oder Institution vermittelt auch keine Sicherheit und Verlässlichkeit. So entscheiden viele, ihr eigener Chef zu sein.»

Dabei scheinen sie von ihrem Alter und ihrer Erfahrung zu profitieren. Gemäss einer Studie des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erkennen ältere Unternehmer ihre Defizite, die sich oft im Bereich der Akquisition manifestieren, viel schneller und holen sich entsprechend Leute an Bord, welche diese Schwächen kompensieren. Dabei kommt ihnen das Netzwerk zugute, dass sie im Lauf der vielen Berufsjahre aufgebaut haben. Die Sozialwissenschafterin Anne Nitschke ist sogar überzeugt, dass die älteren Semester weniger gefährdet sind zu scheitern, da sie überlegter und durchdachter handeln würden.

Von den rund 35 000 Unternehmen, die jedes Jahr in der Schweiz gegründet werden, überleben 25 Prozent das erste Jahr nicht, während nach fünf Jahren nur noch die Hälfte der neu gegründeten Firmen existieren. Die Fachhochschule Nordwestschweiz konnte in ihrer Untersuchung zu den Erfolgsfaktoren junger Unternehmen den Zusammenhang zwischen Alter und Erfolg allerdings nicht bestätigen. Entscheidend sind wohl die Geschäftsidee und die Umsetzung. Was die Finanzierung anbelangt, dürften die Älteren zumindest nicht mehr länger benachteiligt sein; bei Gründungskrediten werden nicht mehr zwingend jüngere Kandidaten bevorzugt. Zudem neigen gemäss der Untersuchung von Anne Nitschke ältere Personen dazu, eher wenig kapitalintensive Firmen zu gründen.

Nicht nur mentale, auch administrative Hürden sind gegenüber den älteren Unternehmensgründern abgebaut worden. So erstaunt es nicht, dass deren Bereitschaft zur Selbstständigkeit wächst. Ton Koper denkt nicht im entferntesten daran, sich in den Ruhestand zu verabschieden. «Die Arbeit bleibt wohl noch einige Jahre ein wichtiges Thema für mich, und das nicht nur aus finanziellen Gründen. Sich für etwas einsetzen, gebraucht werden und Sinn erleben hat einen enormen Einfluss auf die persönliche Zufriedenheit, Gesundheit und Weiterentwicklung bis ins hohe Alter.»

(Photo: FOTOLIA)