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Fair führen

Veröffentlicht am 07.01.2020 von Gabriele Becker -Bildquelle: gettyimages
Fair führen

Die Diversity-Expertin Veronika Hucke über die Kunst, als Führungskraft alle Angestellten gerecht zu behandeln.

Warum ist faire Führung so wichtig?

Veronika Hucke: Fairness ist eine entscheidende Führungskompetenz. Es ist nicht nur „nett“, Beschäftigte gerecht zu behandeln. Es ist für den Erfolg von Unternehmen unabdingbar. Gerade in einem unsicheren Umfeld oder im Rahmen einer Transformation. Der Ruf, fair zu sein, befähigt dann Vorgesetzte, ihre Teams erfolgreich zu führen und Veränderungen zu gestalten. Gleichzeitig ist allen gegenüber „fair sein“ schwieriger, wenn Teammitglieder ganz anders sind, als ich selbst. Weil verschiedene Menschen unterschiedlichen Herausforderungen begegnen. Weil ihnen andere Dinge wichtig sind. Weil sie eventuell nicht so agieren, wie ich es erwarten würde. Das bedeutet für mich als Führungskraft, dass ich – weniger denn je – alle über einen Kamm scheren darf. Stattdessen muss ich das Umfeld und mein Verhalten an unterschiedliche Bedürfnisse anpassen, um gleiche Voraussetzungen zu schaffen.

Aber manchmal müssen doch unfaire Entscheidungen getroffen werden, die aber für das Wohl des Unternehmens wichtig sind.

Ja, manchmal muss man harte Entscheidungen treffen, aber unfair sollten sie nicht sein. Ein typischer Fall sind Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage, bei denen Stellen abgebaut werden. Wenn es fair zugeht, wird sowas auf Basis schlüssiger Kriterien entschieden, die für alle gelten. Es bleiben dann die, deren Qualifikationen besonders wichtig sind, die gute Leistung bringen, und natürlich gilt es soziale Aspekte zu berücksichtigen. Unfair wird es, wenn im Endeffekt Sympathie entscheidet. Wenn ich die „richtigen“ Menschen kennen muss, um meinen Job zu behalten oder einen neuen zu finden. Schliesslich sind üblicherweise diejenigen besonders gut vernetzt, die dem „Mainstream“ im Unternehmen angehören. Das liegt daran, dass wir Menschen besonders schätzen, die uns ähnlich sind. „Unterschiede ziehen sich an“, ist zwar ein netter Gedanke, kommt aber selten vor, wenn sich Menschen auf ihr Bauchgefühl verlassen.

Was sind die Grundvoraussetzungen für ein faires Führen?

Um fair zu führen, muss ich mir bewusst machen, dass ich nicht das Mass der Dinge bin. Dass Menschen sich unterscheiden, unterschiedliche Erfahrungen, Perspektiven und Stärken haben und Dinge unterschiedlich angehen. Und dass es nicht besser oder schlechter ist, was sie tun, nur weil sie es anders machen, als ich selbst. Stattdessen gilt es, die Vorteile in den unterschiedlichen Angängen zu erkennen und Menschen an den Resultaten zu messen, die sie erzielen.

Sind Ihrer Erfahrung nach Frauen oder Männer die faireren Chefs?

Das lässt sich so nicht beantworten. Weder Männer noch Frauen sind die „besseren“ Menschen. Wie wahrscheinlich es ist, dass wir andere fair behandeln, hängt von verschiedenen Faktoren ab. So fällt es uns leichter, Menschen, ihre Motivation und ihre Handlungen zu verstehen, wenn sie uns ähnlich sind. Wenn wir die Dinge aus der gleichen Perspektive sehen. Dann ist ihr Verhalten für uns schlüssig und wir können uns leichter einfühlen und angemessen reagieren. Wenn grosse Unterschiede bestehen, jemand aus einem anderen Kontext kommt und ganz anders tickt, ist das viel schwieriger. Dann kann es viel leichter zu Missverständnissen kommen und dadurch auch zu Ungerechtigkeiten.

Welche Rolle spielen die eigenen Vorurteile?

Stereotype beeinflussen unsere Erwartungen, was Menschen können, welche Stärken sie haben und wie sie sich verhalten sollten. Das führt dazu, dass Menschen, die unserem Bild nicht entsprechen, oft Nachteile erfahren. Das kann Männern und Frauen widerfahren. Bei Frauen wird zum Beispiel häufiger hinterfragt, ob sie das Zeug haben, um eine Führungsposition zu übernehmen, ihre Qualifikation wird eher in Frage gestellt, oder sie werden kritisiert, wenn sie nicht nett sind, sondern auch mal entschlossen durchgreifen. Andererseits fragen sich Eltern eventuell, ob ein männlicher Kindergärtner einfühlsam genug ist, um ihr Kind zu betreuen, und introvertierte Männer werden häufig als weniger kompetent beurteilt.

Warum muss das Augenmerk mehr auf faire Führung gelegt werden, wie Sie das mit Ihrem Buch getan haben?

Es gibt unendlich viele Ratgeber über Führung, aber ein Buch, das den Fokus darauf richtet, welchen Einfluss es hat, wenn Menschen unterschiedlich sind, und wie ich als Führungskraft damit umgehe, fehlt. Und das obwohl inzwischen praktisch alle Teams vielfältig sind. Diese Lücke wollte ich füllen.

((Buchhinweis)) Veronika Hucke: Fair führen. Campus-Verlag, 2019.