Personalberater Markus Theiler über Führungskräfte, die ihr Pensum reduzieren möchten. Der Wunsch nach Teilzeitarbeit wächst auch unter Führungskräften. Noch ist die Hemmschwelle gross. Bei einem reduzierten Pensum bereitet insbesondere die Lohnfrage Kopfzerbrechen.
- von Manuela Specker -
Herr Theiler*, wie oft haben Sie mit Kaderleuten zu tun, die Teilzeit arbeiten?
Markus Theiler: Nur in Ausnahmefällen. Aber das Bedürfnis nach einem Pensum von 80 oder 90 Prozent nimmt unter Führungskräften zu, wie ich in den Bewerbungsgesprächen vermehrt feststelle. Übers Ganze gesehen braucht es aber noch immer viel Überzeugungsarbeit, Skepsis ist auf beiden Seiten – bei Arbeitnehmer wie Arbeitgeber – vorhanden.
Woran liegt das?
Arbeitgeber stellen sich zu Recht die Frage, wie die geringere physische Präsenz mit den Führungsaufgaben vereinbar ist. Allerdings nehmen gerade Führungskräfte oft auch andere Funktionen wahr, zum Beispiel ein Verwaltungs- oder Stiftungsratsmandat, ohne dass deswegen ihre Hauptarbeit darunter leidet. Bei Unternehmen setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass ein Teilzeitpensum sehr wohl mit Führungsaufgaben vereinbar ist.
Inwiefern zeigen sich Firmen gegenüber diesem Thema offener als noch vor zehn Jahren?
Qualifizierte Fachkräfte sind nicht immer einfach zu finden, gerade im KMU-Umfeld. Firmen haben deshalb ein vitales Interesse daran, sich mit flexiblen Arbeitsmodellen als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Ich kenne einige Firmen, die bei der Besprechung des Stellenprofils zwar sagen, dass sie 100 Prozent bevorzugen würden, dass aber bei einem passenden Kandidaten die Stelle auch als 80-Prozent-Pensum in- frage kommt.
Besteht nicht die Gefahr, dass jemand 80 Prozent Lohn bezieht, dann aber doch ein Vollzeitpensum absolviert, weil es auf dieser Stufe ja keine Wochenarbeitszeit gibt?
Das ist ein wichtiger Punkt. Da Kader in der Regel keine Arbeitszeit erfassen, stellt sich tatsächlich die Frage, wie vermieden werden kann, dass sie weniger Lohn beziehen und trotzdem genau gleich viel arbeiten. Diese Frage ist längst nicht in allen Fällen zufriedenstellend gelöst. Denkbar wäre eine höhere variable Komponente bei der Entlöhnung, durch welche zusätzliche Leistungen kompensiert werden könnten.
Arbeitnehmenden stellt sich ein weiteres Problem: Viele befürchten, dass ihnen mit dem Wunsch nach Teilzeit mangelndes Commitment unterstellt wird.
In gewissen Köpfen wird Teilzeit tatsächlich mit mangelnder Identifikation gleichgesetzt. Kürzlich erlebte ich ein Negativbeispiel. Für eine Stelle im öffentlichen Sektor waren noch ein Mann und eine Frau im Rennen. Sowohl von der Persönlichkeit her als auch vom beruflichen Hintergrund hätte ich der Frau den Vorzug gegeben. Da sie aber nur 80 Prozent arbeiten wollte, bekam der Mann den Zuschlag. Doch meine Wahrnehmung ist, dass sich die grosse Mehrheit der Arbeitgeber keine solchen Überlegungen macht. Die Hemmschwelle liegt in der Regel eher beim Arbeitnehmer, der sich fragt, ob er sich mit einem 80-Prozent-Pensum nicht seine berufliche Laufbahn verbaut.
Und? Was sagt Ihnen die Praxis?
Die Erfahrungen sind in der Regel positiv, da sich beide Seiten flexibel zeigen. Auf Führungsstufe kapseln sich Teilzeit-Angestellte ja nicht einfach einen Tag pro Woche ab, sondern sind in Notfällen auch in ihrer freien Zeit erreichbar oder rufen gelegentlich ihre E-Mails ab. Gerade durch dieses Entgegenkommen funktioniert Teilzeit auch auf Kaderstufe.
Was spricht dafür, dass auch Führungskräfte Teilzeit arbeiten können?
Untersuchungen zeigen, dass bei Teilzeit-Mitarbeitenden die Motivation eher zu- als abnimmt, dass sie ausgeglichener und zufriedener sind. Das bindet die guten Leute langfristig an ein Unternehmen. Die Arbeitswelt ist zudem auf Leute angewiesen, die flexibel sind, die ihren Job gut machen, anstatt die Zeit absitzen. Gefragt sind Leute, die Anrecht auf ihre freien Tage haben, aber in Notfällen zur Verfügung stehen. Das ist den meisten Arbeitgebern lieber als Mitarbeitende, die jeden Tag um 17.30 Uhr aus dem Büro springen.
In einem Inserat der Personalberatungsfirma Jörg Lienert wird eine Führungskraft mit den Worten zitiert: «Im Job ist letztlich jeder austauschbar. Wirklich wichtig ist man nur daheim.» Ein dezenter Hinweis, im Leben nicht alles auf die Karte Beruf zu setzen?
Dieses Inserat ist Bestandteil unserer Jubiläumskampagne, bei der wir unsere Wegbegleiter zu Wort kommen lassen. Wir haben dieses Zitat 1:1 so übernommen, wie es von unserem Interviewpartner formuliert wurde. Natürlich ist diese Aussage etwas provokativ; grundsätzlich kann ich aber voll und ganz hinter diesem Statement stehen. Ich bin überzeugt, dass im Beruf langfristig nur
erfolgreich sein kann, wer in seinem Leben für einen Ausgleich sorgt. Das heisst natürlich nicht, dass die Arbeit zur Nebensache werden soll. Aber wer ein Leben lang mit Begeisterung und Herzblut arbeiten möchte, braucht einen Ausgleich, sei dies mit der Familie oder einem anderen sozialen Umfeld.
*Markus Theiler ist stellvertretender Geschäftsführer der Personalberatungsfirma Jörg Lienert AG (www.joerg-lienert.ch).
(Photo: iStock)