Ein totgesagtes Führungsmodell lebt wieder auf – die Vorzüge und Risiken eines Jobsharings. Jobsharing auf Führungsebene kommt erst vereinzelt vor. Obwohl in der Praxis erfolgreich, ist das Modell noch mit vielen Vorurteilen behaftet.
- von Manuela Specker -
Seit ein paar Wochen teilen sich Martin Enz (52) und Caroline Beglinger (48) die Leitung des Verkehrs-Clubs der Schweiz, VCS. «Aus Gründen der Effizienz», wie Enz erläutert. Die Erfahrungen sind bisher durchwegs positiv. Beide kennen als langjährige Mitarbeitende nicht nur den Verband bestens, sondern auch sich gegenseitig.
Auf der politischen Bühne nimmt auch die SP Schweiz eine Pionierrolle ein: Leyla Gül (38) und Flavia Wasserfallen (33) teilen sich seit Ende Oktober 2012 das Generalsekretariat mit je einem 70-Prozent-Pensum. Beide haben beruflich wie politisch eng zusammengearbeitet. Die Beispiele VCS und SP Schweiz machen deutlich, was die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Partnerschaft in Führungsfragen ist: die Chemie muss stimmen. Die Aufgaben müssen klar definiert und aufgeteilt sein – idealerweise komplementär. Sind diese Voraussetzungen gegeben, dann, so Martin Enz, stehe einem Jobsharing-Modell auch in der Privatwirtschaft nichts im Weg. «Ob es funktioniert oder nicht, hat weder etwas mit der Branche noch mit dem Inhalt zu tun.»
Trotzdem kommt Jobsharing auf Führungsebene nur vereinzelt vor, und in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sinkt die Experimentierbereitschaft erst recht. Julia Kuark, die Geschäftsführerin von JKK Consulting, die mit «Topsharing» eigens ein Modell dafür geschaffen hat, hört immer wieder denselben Vorbehalt: Verantwortung sei nicht teilbar. Wenn Führungskräfte ein Jobsharing-Modell anstreben, sind sie mit Vorurteilen konfrontiert, denen auch Teilzeit-Mitarbeitende begegnen: Sie würden sich weniger einsetzen, die Arbeit sei nur noch zweitranging.
Dabei arbeiten Teilzeitangestellte produktiver, wie Studien belegen. Sie fehlen weniger und sind besser organisiert. Ob die Führung im Zweiergespann funktioniert, ist auch eine Frage der Organisation und Kommunikation. Julia Kuark empfiehlt deshalb ein überlappendes Zeitfenster. «Das gewährleistet die arbeitsbezogene Kommunikation, ähnlich wie bei einem Schichtwechsel.»
Und schon ist ein weiteres Argument gegen Jobsharing zur Hand: warum höhere Lohnkosten und mehr Koordinationsaufwand in Kauf nehmen? Unter dem Strich, so Kuark, resultierten Einsparungen: komplexe Entscheide würden schneller gefällt, die Aufgabenteilung ermögliche eine effizientere Arbeitsweise und: «Vier Augen sehen nun einmal mehr als zwei, so sind schwierige Entscheide besser abgestützt.» Falle eine der beiden Führungskräfte kurzfristig aus, sei deshalb nicht gleich das ganze Wissen verloren. Werden die Aufgaben je nach Stärken und Fähigkeiten klar aufgeteilt und die gemeinsame Verantwortung unmissverständlich festgelegt, beugt dies Doppelspurigkeiten vor.
Natürlich eignet sich längst nicht jedermann für ein Jobsharing. Eines der grössten Hindernisse ist nicht einmal organisatorischer, sondern emotionaler Natur: die Bereitschaft, Macht und Verantwortung zu teilen. Das Modell ist nur etwas für Teamplayer, nicht für Narzissten. Wo zwei Menschen ihren Einfluss geltend machen, verbleibt zudem das Risiko eines Konflikts, der auch nach jahrelanger trauter Zweisamkeit ausbrechen kann. So teilten sich jahrelang zwei Personen das Berner Ratssekretariat, bis sie sich zerstritten. Heute ist die Leitung wieder an eine Person geknüpft – weil sich das bisherige Modell nicht bewährt habe, wie es in der Botschaft an den Stadtrat hiess.
Die beiden Beispiele VCS und SP dürfen zudem nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch in politisch relevanten Jobs das Jobsharing-Modell nach wie vor eine Ausnahme darstellt. In der Exekutive ist kein einziger Fall von Jobsharing bekannt. In Neuenburg haben Jean-Luc Barbezat und Benjamin Cuche einen Versuch gewagt. Sie wollten für den frei werdenden Regierungsratssitz von SP-Mann Jean Studer kandidieren, um eine stille Wahl zu verhindern. Die beiden sind vor allem bekannt als Komikerduo «Cuche et Barbezat», doch ein Scherz war ihre Ankündigung, das Amt dann im Job-Sharing auszuführen, keineswegs. Das Reglement hat ihnen allerdings einen Strich durch die Rechnung gemacht: Pro Liste ist nur ein Name zugelassen. Entsprechend ist geteilte Verantwortung auf dieser Ebene schon rein wahltechnisch nicht vorgesehen.
Jobsharing für Führungskräfte fristet also vorderhand eher eine Randexistenz. Daran ändern auch Studien nichts, die immer wieder zum wenig überraschenden Schluss kommen, dass sich Kind und Karriere am besten mit flexi-blen Arbeitszeitmodellen, mit Teilzeitstellen und mit Jobsharing-Modellen vereinbaren lassen. Laut der Organisationsberaterin Julia Kuark wäre es höchste Zeit, dass auch Vorgesetzten mehr Flexibilität zugestanden wird. Solche Arbeitsmodelle würden von hoch qualifizierten Mitarbeitenden je länger, je mehr erwartet. «Wenn immer mehr Kreativität und Teamgeist verlangt wird, muss etwas an den Arbeitsstrukturen geändert und müssen innovative Arbeitsformen geschaffen werden.»
www.topsharing.ch
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