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Coworking - Gemeinsam statt einsam

Veröffentlicht am 19.07.2015
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Coworking liegt im Trend – rund 50 Angebote gibt es inzwischen schweizweit
Freischaffende und Firmengründer mieten sich heute gerne in Büros mit flexiblen Arbeitsplätzen ein. Kosten sparen ist dabei ein Aspekt, aber nicht der wichtigste.
 
Von Vera Sohmer

Produktdesigner Thomas Gerig arbeitet da, wo es ihm gerade am besten passt: im Zug, beim Kunden, bei Herstellern, an Messen, an Verkaufsstellen, in Bibliotheken oder draussen in der Natur. Seit vergangenem Jahr kommt er zudem regelmässig in den CreativeSpace, ein Gemeinschaftsbüro mitten in St. Gallen – altes, herrschaftliches Gebäude, grosse, helle Räume, 16 Arbeitsplätze insgesamt. „Ich habe dort alles, was ich brauche“, sagt er. 3D-Drucker, Leuchttisch, Modellbauwerkstatt, Sitzungszimmer, schnelles Internet und – ebenfalls nicht zu verachten – eine Kaffeemaschine. Eine gute Infrastruktur sei wichtig, gerade wenn ein Projekt vor dem Abschluss stehe. In dieser heissen Phase müsse alles funktionieren. Neben der Infrastruktur gibt es für Thomas Gerig aber noch einen wichtigeren Grund, der für den CreativeSpace spricht: der Gedankenaustausch.

Zwar arbeitet er unabhängig von anderen, ebenso wie diese unabhängig von ihm arbeiten. Dennoch schätzt es der Produktdesigner, in einer offenen, wohlwollenden und humorvollen Atmosphäre Ideen zu diskutieren und weiterzuentwickeln. Dies mit Leuten aus verschiedenen Fachrichtungen. Kreative wie eine Grafikerin, eine Innenarchitektin oder einen Trickfilmer hat es dabei, aber auch einen Juristen und einen Ökonomen. „So ergeben sich neue Inspirationsquellen“, schwärmt Thomas Gerig.

Barbara Leuner, Coach und Mediatorin, bietet in Aarau, unweit vom Bahnhof, Arbeitsplätze zum Mieten an – etwa für Berater, Psychologen oder Therapeuten. Ihr gefällt der Gedanke der Share Economy. „Teilen statt besitzen erlaubt vielen Selbständigen, mit wenig finanziellem Aufwand das eigene Geschäft aufzubauen und gleichzeitig von der Erfahrung anderer zu lernen“, sagt sie. Abgsehen davon, dass es Spass mache, den unterschiedlichsten Menschen zu begegnen, sich auf diese Art kennenzulernen. Als Vorteil wertet sie, dass fachübergreifende Gespräche unkompliziert und ohne administrativen Aufwand möglich sind. Zum Beispiel bei Ad-hoc-Treffen in der Teeküche. Diese Form der Arbeit sei zukunftsweisend.

Tatsächlich boomt Coworking weltweit, rund 2500 solcher Angebote gibt es laut Wikipedia, die meisten von ihnen in den USA, wo die Idee der neuartigen Gemeinschaftsräume entstanden ist. In der Schweiz können sich Interessierte in eines von 50 Büros in Luzern, Zürich, Genf, Fribourg oder eben St. Gallen und Aarau einmieten. Und zwar dann, wann sie wollen und wie lange es ihnen behagt. Stunden- und tageweise ist ebenso möglich wie mehrere Monate. Im CreativeSpace beispielsweise beträgt die Tagesmiete 33, jene für eine Woche 111 Franken.

Kurzfrisitig anklopfen, kommen und gehen, wann man will – Aspekte, die Coworking attraktiv macht und von herkömmlichen Bürogemeinschaften unterscheidet, sagte Klaus-Peter Stiefel vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in einen Radio-Interview. Er untersucht das Phänomen seit mehreren Jahren und weiss: Wer in einem der Büros arbeitet, bringt gute Leistung, dies zumindest nach eigner Einschätzung. Werden Coworker gefragt, wie sie ihre Arbeit empfinden, sagen die meisten von ihnen spontan: inspirierend, flexibel, produktiv. Die neuen „Gebilde entwickeln eine Anziehungskraft, ein Wachstum und eine Kreativität, die in den meisten Unternehmen ihresgleichen sucht“, folgert der Wissenschaftler. Kein Wunder loten einzelne Firmen jetzt aus, inwieweit die neue Arbeitsform für sie interessant sein könnte.

Bislang werden die Mieträume hauptsächlich von Freiberuflern und Selbstständigen nachgefragt. Auch weil sie die Nachteile des Homeoffice kennen: Mit dem Kaffee morgens gleich ungeduscht an den Computer sitzen, der dann wahrscheinlich neben dem Telefon bis in den Abend hinein wieder das einzige Kommunikationsmittel bleiben wird. Coworking scheint eine gute Alternative zu sein, wenn sich Arbeit und Privates zu sehr vermischt – und man das dringende Bedürfnis hat, sich mal wieder von Mensch zu Mensch auszutauschen.

Gemeinsame Plattform aller Schweizer Coworking-Angebote: http://coworking-schweiz.ch

Photo: THINKSTOCK