Über die vergangenen Jahrzehnte seien die Einkommen zwar in vielen Ländern höher geworden - zugleich stieg aber auch eine „neue Form von Armut“ an, die Zeit-Armut. Davon zeigen sich Psychologen und Wirtschaftswissenschafter u.a. der Universitäten Harvard, British Columbia und Maastricht überzeugt. Sie haben 2017 eine Studie veröffentlicht, nach der das „Kaufen von Zeit“ die Menschen (wieder) glücklich mache.
Im Kern geht es bei der Untersuchung (Originaltitel: „Buying time promotes happiness“) um eine wissenschaftliche Bestätigung der altbekannten Weisheit, wonach Geld allein nicht glücklich macht. Umgelegt auf die moderne Arbeitswelt ist insofern ganz klar: Wer durch eine hohe Arbeitsbelastung gestresst ist, fühlt sich auch in der Freizeit insgesamt weniger wohl, ist nervöser und leidet eher unter Schlaflosigkeit oder Übergewicht. Immerhin fehlt einem, wenn die Präsenzzeit im Betrieb steigt, oft ganz einfach die Zeit und die Energie, um sich noch um gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung zu kümmern. Und dann gibt es meist noch einen Haushalt, der zu führen ist.
Unterstützung für lästige Pflichten
In der Theorie sollten die gestiegenen Gehälter hier Abhilfe schaffen und den Menschen das Leben erleichtern - Druck raus nehmen. Die Studie bestätigt aber, dass sich die Menschen stattdessen auch in erhöhtem Maße einem zusätzlichen Freizeitstress aussetzen. Zum Beispiel, in dem sie ihr Geld an den Wochenenden in überfüllte und lärmbelastete Shopping-Center tragen. Das durch eine steigende Arbeitslast erhöhte Einkommen wird demnach überdurchschnittlich oft quantitativ statt qualitativ verwendet.
Dabei liegt es eigentlich auf der Hand, dass die Kompensation von Stress und schlechter Laune durch den Kauf „schöner Dinge“ kaum funktionieren kann. Jedoch haben viele Menschen einen Vorbehalt gegenüber der einfachen Lösung, sich stattdessen Unterstützung für lästige Pflichten - putzen, waschen, bügeln, … - im Haushalt zu kaufen.
Einen Gang zurück schalten
Für die Studie wurden in diesem Sinn Fakten geschaffen, da sich Wissenschaftler natürlich nicht mit der Argumentation des Hausverstands zufrieden geben. Stattdessen wurden in sieben Erhebungen mehr als 6.000 Menschen in den USA, Kanada, Dänemark und den Niederlanden dazu angehalten, abwechselnd eine quantitative und eine qualitative Stress-Kompensation mit ihrem Geld zu erkaufen, jeweils mit Vergleichsgruppen. Wer in Zeit - und damit in die Abnahme von Arbeit nach dem täglichen Ende der Lohnarbeit - investierte, stieg signifikant besser aus, was die Lebenszufriedenheit angeht.
Allerdings gibt es auch einen Nebeneffekt, wie die Studienautoren zugeben: Bei manchen Menschen stelle sich, wenn sie zu viel „Zeit kaufen“, das Gefühl ein, gar nicht mehr fähig zu sein, ihren Alltag allein zu bestreiten. Daraus könnte man nun schließen, dass vielleicht eine weitere Option die bessere Lösung ist: Schalten Sie im Brotjob einen Gang zurück, wenn Sie sich zu stark belastet fühlen. Reduzieren Sie nach Möglichkeit Ihre Stundenzahl und holen Sie sich auf diesem Weg etwas Lebenszeit zurück. Dann verdienen Sie vielleicht weniger, aber mitunter geht sich der Haushalt doch noch irgendwie aus.