Wer älter als 50 ist, gehört in manchen Unternehmen bereits zum alten Eisen. Diese Haltung basiert nicht nur auf einem Irrtum – sie wird sich auch rächen.
Von Manuela Specker
Es war ein Zitat, das schnell einmal missverstanden werden konnte. „Über 50-Jährige vermitteln wir praktisch nicht“, wird Sandra Peiti, Mitglied der Geschäftsleitung von Manpower Schweiz, in der „NZZ“ zitiert. Damit meint sie natürlich nicht, dass Manpower keine älteren Arbeitnehmer vermitteln will. Sondern dass sich die Unternehmen häufig für die jüngeren Kandidaten entscheiden. Eine Folge dieses Jugendwahns: ältere Mitarbeitende brauchen bedeutend länger, bis sie wieder eine Stelle finden. Mehr als 40 Prozent der Langzeitarbeitslosen sind mindestens 50 Jahre alt.
Das ist schon seit Jahren die Realität auf dem Arbeitsmarkt. Wer über 50 ist, wird oft automatisch abgestempelt als unflexibel, nicht mehr lernfähig, undynamisch. Aus der Forschung ist aber hinlänglich bekannt, dass die Lernfähigkeit im Alter nicht abnimmt. Der Lernforscher Christian Stamov Rossnagel veranschaulicht an einem Beispiel die Wirkungsmacht der Vorurteile: Steht ein 70-jähriger Mann am Ticketautomaten und schafft er es nicht, sich ein Ticket zu besorgen, wird gleich an seinen kognitiven Fähigkeiten gezweifelt. Steht ein 30-Jähriger vor demselben Problem, ist der Automat nicht benutzerfreundlich.
„Für vieles wird automatisch das Alter verantwortlich gemacht, so kommt eine sich selbst stabilisierende Wahrnehmung zustande“, meint Rossnagel. Er konnte in zahlreichen Untersuchungen nachweisen, dass die meisten Unterschiede in der Arbeitsleistung nicht etwa vom Alter abhängen, sondern von Persönlichkeitsmerkmalen, der konkreten Tätigkeit und der Ausbildung.
Vorurteile haben aber leider die Nebenwirkung, dass sie zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden: Ältere Mitarbeitende trauen sich tatsächlich weniger zu, wenn sie in die Altersschublade gesteckt werden. Und schon sehen sich all die Vorgesetzten und HR-Fachleute bestätigt, die das Alter in erster Linie als Problem sehen – selbst wenn in ihrem Unternehmen die „Alten“ den Karren ziehen, kaum krankheitshalber abwesend sind und auch in hektischen Zeiten konstant ihre Leistung erbringen.
Die Staffelung der Sozialversicherungsbeiträge ist zweifellos ein weiterer Grund, weshalb Jüngere bevorzugt werden, fallen doch bei älteren Mitarbeitenden höhere Pensionskassenbeiträge an. So werden über 50-Jährige manchmal gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch eingeladen, obwohl unter dieser Alterskategorie vielleicht der passendste, aber eben teurere Kandidat gewesen wäre.
Allerdings ist der Fokus auf Pensionskassenbeiträge etwas eindimensional. Denn wer vor allem auf jüngere setzt, verzeichnet oft eine höhere Mitarbeiterfluktuation. Wenn der technologische und strukturelle Wandel rasant vonstatten geht, mag dieser Effekt sogar erwünscht sein. Aber selbst in Branchen, wo das Wissen schnell veraltet wie in der Informatik oder in der Maschinenindustrie, braucht es Kontinuität und langjährige Erfahrung.
Mit einer Personalpolitik, die das Alter so stark ins Zentrum rückt und Mitarbeitende alleine aufgrund dieses Faktors aussortiert, lassen Firmen nicht nur viel Potenzial brach liegen. Sie müssen auch damit rechnen, dass sie in Zukunft Stellen lange nicht besetzen können. Denn schon heute scheiden jedes Jahr 5000 Personen mehr aus dem Arbeitsmarkt, als neue eintreten (ohne Berücksichtigung der Zuwanderung). Die demografische Entwicklung wird sich in Zukunft noch viel stärker am Arbeitsmarkt bemerkbar machen – der bevölkerungsstärkste Jahrgang der Schweiz hat bereits 2014 das 50.Altersjahr erreicht; auch die Babyboomer werden älter. Bis im Jahr 2040 werden jene Arbeitnehmende, die höchstens 30 Jahre alt sind, nur noch rund 26 Prozent der arbeitenden Bevölkerung ausmachen, wie das Bundesamt für Statistik berechnete.
Firmen, die dem Jugendwahn verfallen sind, verschliessen also die Augen vor der Realität. Eine Personalpolitik, die so stark Junge glorifiziert und Ältere diskriminiert, lässt sich aber nicht von heute auf morgen umstossen, wenn der Fachkräftemangel sie mit voller Wucht trifft. Denn es braucht auch spezifische Arbeitsmodelle, um den Bedürfnissen der älteren Arbeitnehmenden gerecht zu werden. Mit gutem Beispiel geht die SBB voran: Dort können Mitarbeitende ab 62 die Arbeitszeit reduzieren und dafür bis 67 im Unternehmen verbleiben.
Bildquelle: Thinkstock