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Bewerber sind keine Bittsteller

Veröffentlicht am 05.09.2016
Bewerber sind keine Bittsteller
Der Auftritt zahlreicher Schweizer Arbeitgeber im Internet lässt zu wünschen übrig. Das könnte sich im Wettbewerb um Fachkräfte rächen. Von Caroline Stadelmann
Eine erstmals für die Schweiz aufgelegte Studie untersuchte den Online-Auftritt (Karriere-Websites und Online-Stelleninserate) der 100 grössten und wichtigsten Arbeitgeber in der Deutschschweiz anhand von über 250 Kriterien. Geprüft wurden Zugang, Informationsgehalt, Navigation, Design und Frechmut sowie Interaktion. Die Resultate sind enttäuschend, teilweise alarmierend und machen bei vielen Arbeitgebern grossen Nachholbedarf deutlich. Mehr als die Hälfte aller Auftritte grosser und wichtiger Schweizer Firmen erfüllen nicht einmal die Hälfte der Kriterien. «Viele lokale Gewerbler werben leidenschaftlicher um neue Mitarbeitende, selbst Katzenfutter oder Veloschläuche werden um Welten besser vermarktet als Jobs», stellt Mitherausgeber und Personalmarketingexperte Jörg Buckmann ernüchtert fest. „Personalwerbung wird noch zu häufig als Stiefkind behandelt. Dabei sind Bewerber keine Bittsteller.“

Vorbildlich sind Migros, Swisscom und Baloise. Dieses Trio überzeugt mit vielen gut aufgearbeiteten Informationen und schafft es, auch die Unternehmenskultur glaubwürdig zu transportieren. Sie kommunizieren mit ihren Zielgruppen auf Augenhöhe, nutzen Videos, lassen reale Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen von ihren Erfahrungen erzählen und bespielen geschickt die sozialen Medien. Ebenfalls einen guten Job machen die anderen in den Top 10 platzierten Unternehmen UBS, Zurich Financial Services, Accenture, die Privatklinikgruppe Hirslanden, Siemens Schweiz, ABB und die SV Group. Letztere beweist, dass auch in Branchen mit tiefem Lohnniveau stilvoll um den Nachwuchs geworben werden kann.

Schlecht schneiden fast alle der 16 untersuchten Kantone und Städte ab – sehr grosse Arbeitgeber mit teilweise über 30000 Angestellten und einem riesigen Rekrutierungsbedarf. Sie landen fast durchs Band abgehängt im letzten Viertel des Rankings und drohen, im Wettbewerb um die umworbenen Berufsgruppen wie Ingenieurinnen, handwerklich-technischen Fachkräften oder in der Pflege abgehängt zu werden. Das Design ihrer Karriere-Websites wirkt fast wie aus den Zeiten, als das Internet laufen lernte. Nur gerade der Bund kann mit seinem Auftritt und einem Platz im ersten Drittel überzeugen. Der Kanton Aargau hat in den letzten Monaten vieles verbessert. Die meisten anderen Städte oder Kantone festigen mit ihrem lust- und farblosen Auftritt Vorbehalte gegenüber öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber («wenig dynamisch», «umständlich», «langweilig»).

Ähnlich präsentieren sich die Unterschiede bei Spitälern und Gesundheitsinstitutionen.  6 der 16 untersuchten Spitäler sind in der oberen Hälfte des Rankings platziert, Institutionen wie das Kantonsspital Aarau, das Universitätsspital Zürich oder die Solothurner Spitäler haben die Zeichen der Zeit erkannt und punkten mit einem richtig guten Auftritt, die Privatklinikgruppe Hirslanden bringt es gar in die Top ten. Sie überzeugen mit vielen Informationen und Einblicken in den Spitalalltag, zum Beispiel durch Videos. Am anderen Ende der Skala belegen sechs grosse Spitäler einen der letzten 30 Plätze im Ranking. Sie fallen durch Emotionslosigkeit auf, durch wenige Informationen, eine veraltete Optik und sind nicht smartphonetauglich. Viele setzen in ihrem Arbeitgeberauftritt auf ein ganzes, nicht selten veraltetes Set an PDF oder konsequent auf Nichtinformation. Das schlechte Abschneiden vieler Spitäler überrascht angesichts des harten Wettbewerbs bei den Gesundheitsberufen.

An Nachwuchs mangelt es in vielen Berufen schon heute. In den nächsten Jahren gehen viele Babyboomer in Pension. Und bald drosselt die Masseneinwanderungsinitiative den Zugang von europäischen Fachkräften. „Vor diesem Hintergrund wird das professionelle Werben um die Arbeitskräfte auf dem Schweizer Arbeitsmarkt markant wichtiger“, ist Jörg Buckmann überzeugt.

Die Studie zeigt, dass es in Sachen Arbeitgeberauftritt eine Art Zweiklassengesellschaft gibt. Während die im vorderen Drittel Gelisteten auf den sich verschärfenden Arbeitskräftemangel mit guter Personalwerbung reagieren, verkennen andere deren Wichtigkeit offenbar noch immer. „Überraschend ist die de facto Inexistenz eines Arbeitgeberauftritts bei einigen Firmen bzw. Behörden. Deren Kommunikation beschränkt sich fast ausschliesslich auf die Publikation der freien Stellen, notabene im Design der 1960er Jahre,“ stellt Buckmann fest.  Noch immer lockt zudem nahezu die Hälfte aller Unternehmungen ihre Interessenten in mobile Sackgassen. Ihre Webseiten (40% nicht fit für Mobile) und Stelleninserate (49% nicht fit für Mobile) sind nicht für die Ansicht auf den kleineren Screens der Smartphones und Tablets optimiert. Mobile Bewerbungsmöglichkeiten sind gar erst bei gut einem Viertel der Arbeitgeber ein Thema.
 

Die besten Online-Arbeitgeberauftritte*
1    Migros                                                                
2    Swisscom            
3    Bâloise                                                                
4    UBS                                                                    
5    Zurich Versicherung                                          
6    Accenture                                                           
7    Hirslanden                                                          
8    ABB Schweiz                                                     
9    SV Group                                                           
10  Siemens  
                                                           
*   Im Rahmen der Studienreihe „Human Resources im Internet“ von Professor Wolfgang Jäger wurde im Frühjahr 2016 der Arbeitgeberauftritt der 100 grössten und wichtigsten Arbeitgeber der Schweiz anhand von jeweils 250 Kriterien untersucht. Die detaillierte Gesamtstudie kann unter www.arbeitgeberauftritt.ch bezogen werden.

Bildquelle: Thinkstock