In der aktuellen Diskussion darüber, warum der durchschnittliche Verdienst immer noch (auch) eine Frage des Geschlechts ist, setzt eine neue Initiative auf umfassende Transparenz.
Die gute Nachricht zuerst: In den zehn Jahren zwischen 2006 und 2016 sind die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen statistisch wahrnehmbar gesunken. Der „Gender Pay Gap“ ging in der Schweiz von 16,3 Prozent auf 12 Prozent zurück, wie das Bundesamt für Statistik unter Berücksichtigung sowohl des privaten wie auch des öffentlichen Sektors feststellt. Wirklich gut ist diese Situation freilich nicht: Für tausend Franken, die eine Frau verdient, erhält ein Mann in der gleichen Tätigkeit damit immer noch 120 Franken mehr. Was zudem auffällt: Je höher die berufliche Stellung, desto größer auch die geschlechtsbedingten Gehaltsunterschiede.
So verdienen Männer im obersten, oberen und mittleren Kader mit 10.878 Schweizer Franken pro Monat im Schnitt um 18,54 Prozent mehr als Frauen (8.8861 Franken). Im unteren Kader betrugt die Differenz immer noch überdurchschnittliche 13,47 Prozent (8.760 bzw. 7.580 Franken), und im untersten Kader 10,46 Prozent (7.238 bzw. 6.481 Franken). In Jobs ohne Kaderfunktion hingegen liegt der - immer noch problematische - Abstand mit 8,4 Prozent um fast ein Drittel unter dem Gesamt-Durchschnitt: Männer verdienen ihre statistischen 6.121 und Frauen ihre 5.607 Franken.
42 Prozent bleiben unerklärt
Versucht man die Gehaltsunterschiede objektiv zu analysieren, werden die berufliche Stellung, die Anzahl der Dienstjahre oder auch das Ausbildungsniveau angeführt. Damit ließen sich aber nur 58 Prozent des männlichen Mehrverdienstes erklären, wie das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau auf seiner Website anführt. Damit bleiben immer noch 42 Prozent, die „eine potentielle Lohndiskriminierung aufgrund des Geschlechts enthalten“. 2010 führte dies dazu, „dass Frauen insgesamt 7,7 Milliarden Franken an Lohn einbüssten“.
Der erklärte Lohnunterschied gehe unter anderem auf „Ausstattungseffekte bzw. auf strukturelle Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Berufsbiografien zurück“. Was bedeutet, dass Frauen z.B. deshalb weniger Lohn als Männer erhalten, „weil sie in anforderungsreicheren Positionen und in Kaderstellen schwächer vertreten sind, weil sie durchschnittlich noch über ein etwas tieferes Bildungsniveau verfügen und weil sie in Tieflohn-Branchen stärker vertreten sind“.
„Müttermalus“ und „Väterbonus“
Sind Frauen bzw. Männer verheiratet, so liegt ihr Einkommen im Durchschnitt sogar um 24 Prozent auseinander. Dazu trägt auch die ungleich verteilte Aufgabe der Kinderbetreuung bei, da Frauen eher als Männer nach der Geburt eines Kindes „nicht mehr oder nur in einem reduzierten Pensum erwerbstätig“ sind: „Verschiedene Studien zeigen, dass Frauen Lohneinbussen erleiden, sobald sie Mutter werden. Demgegenüber führt für die meisten Männer eine Vaterschaft zu einem Lohnanstieg.“ Man kann aus der Statistik einen „Müttermalus“ und einen „Väterbonus“ ablesen.
Doch wie kann die Situation geändert und mittelfristig für gleiche Gehälter gesorgt werden? Die Gewerkschaftsbünde in Zürich und Schaffhausen setzen auf Transparenz, um die Problematik zu verdeutlichen - und haben dafür eine neue Webplattform ins Leben gerufen. Die Initiative „Zeig deinen Lohn!“ sammelt Porträts von Bürgerinnen und Bürgern, die ihren Verdienst preis geben und darüber informieren, wieviel und in welchem Job sie dafür arbeiten. Die Idee dahinter: Je klarer den Menschen wird, dass die aktuelle Situation für Frauen äußerst ungerecht ist, desto eher kann die gesellschaftliche Diskussion darüber auch zu besseren Ergebnissen bei ihren Lohnverhandlungen führen.