Ob man es im beruflichen Umfeld eher förmlich oder total freundschaftlich halten kann, hängt oft von der jeweiligen Branche und der Unternehmensgröße ab. Im Zweifel ist zu akzeptieren, wenn das Gegenüber beim „Sie“ bleiben möchte. Das gilt insbesondere auch in der Kundenbeziehung.
Mit dem Duzen im beruflichen Umfeld ist es so eine Sache. Natürlich entsteht ein gewisses Naheverhältnis, wenn man tagtäglich zusammen im Büro sitzt und gemeinsam den unternehmerischen Zielen des Dienstgebers entgegenarbeitet. Aber ist es deshalb selbstverständlich, auch mit dem Abteilungsleiter, der Geschäftsführung oder den Vorstandsmitgliedern per Du zu sein, die man vielleicht ebenfalls jeden Tag mehrmals auf dem Gang oder in der Gemeinschaftsküche trifft?
Einen Unterschied macht in dieser Hinsicht sicherlich die Größe des Unternehmens: Ein kleines oder mittleres Unternehmen mit 25 Mitarbeitenden, dessen Gründer jeden noch persönlich einstellt, wird sich mit dem allgemeinen Du-Wort leichter tun. In einem börsennotierten Konzern mit zig Abteilungen und mehreren Hundert Beschäftigten, die noch dazu an verschiedenen Standorten angesiedelt sind, ist es schon nicht mehr möglich, jeden Kollegen und jede Kollegin auch nur einmal persönlich zu treffen. Geschweige denn, ein Gespräch miteinander zu führen. Dennoch kann eine offizielle „Duz-Politik“ im Fall des Falles zumindest den Beginn eines solchen Gespräches erleichtern.
Kein Startup-Spirit mit „Herr Maier“?
Weiters ist es auch eine Generationen-Frage: Die Mitte-70-jährige Gründerin, die aus dem Ruhestand noch im Familienbusiness aushilft, wird vielleicht mit dem 15-jährigen Verkaufs-Lehrling ein ausschließlich professionelles Verhältnis anstreben. Und dieser sieht umgekehrt eine Respektsperson, die es ohne Zweifel zu Siezen gilt. Andererseits ist es praktisch unvorstellbar, dass die teils noch studierenden Team-Mitglieder eines hippen IT-Startups im angemieteten Coworking-Space einander förmlich mit „Herr Maier“ oder „Frau Bauer“ anreden. Und auch in Branchen wie dem Journalismus oder auf der Baustelle wäre es für neue Mitarbeiter tendenziell befremdlich, nicht spätestens nach der Jobzusage beim Du-Wort zu landen.
Bei Kunden zwei Mal überlegen
Dennoch steht es natürlich jedem Menschen frei, auf ein solches Angebot mit einem Schritt nach hinten zu reagieren – und es (vorerst) abzulehnen. Insbesondere wenn in früheren Arbeitsbeziehungen schlechte Erfahrungen mit der Aufgabenverteilung oder dem Einhalten vertraglicher Vereinbarungen gemacht wurden, kann das distanzierte „Sie“ dabei helfen, sich nicht ungewollt vereinnahmen zu lassen.
Heikel kann es auch werden, mit Kundinnen und Kunden ein (scheinbar) zu nahes Verhältnis einzugehen: Wer geduzt wird, muss beim Gegenüber auch mit mehr Mut rechnen. Etwa wenn es darum geht, die Höhe von Verkaufspreisen anzusprechen – ganz unabhängig davon, ob es für eine eventuelle Reduktion eine ausreichend lange Geschäftsbeziehung bzw. ein ausreichend großes Vertrauensverhältnis gibt. Das „Du“ hat eben einen freundschaftlichen Charakter mit allen positiven oder – im geschäftlichen Zusammenhang – auch negativen Seiten.
Es ist also durchaus sinnvoll, sich bei einem angebotenen Du-Wort kurz zu besinnen – und dieses im Zweifel abzulehnen. Als persönliche Zurückweisung sollte das nicht betrachtet werden. Es ist ganz einfach ein professionelles berufliches Handeln.