Nicht nur die eigene Leistung, auch die Verhandlungstaktik ist entscheidend für ein höheres Gehalt
Individuelle Lohnverhandlungen sind anspruchsvoll – überall lauern Fettnäpfchen, Stolperfallen und Missverständnisse. Ein kleiner Lohnguide.
Von Manuela Specker
Mit dem Lohn ist das so eine Sache. Zahlt der Arbeitgeber tatsächlich jenen Lohn, der dem eigenen Marktwert entspricht? Wer die Lohnverhältnisse und die Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht kennt, bietet seine Arbeitskraft schnell einmal zu günstig an – vor allem, wenn schon länger im selben Unternehmen gearbeitet wird. Denn die Erfahrung lehrt: In der Regel kommen jene zum Zug, die explizit eine Lohnerhöhung einfordern.
Aus Sicht von Arbeitgebern gilt gleichzeitig: Nur wer als Arbeitnehmer etwas zu bieten hat, kann auch über den Lohn verhandeln. Unglücklicherweise sind es oft die besonders zuverlässigen und fleissigen Mitarbeiter, die zwar viel zum Erfolg eines Unternehmens beitragen, sich aber, sobald es um den Lohn geht, in Zurückhaltung üben. Und wenn sie sich nach ein paar Jahren doch überwinden können, nach mehr Gehalt zu fragen, treten sie wie Bittsteller auf und sprechen im Konjunktiv (Es wäre schön, wenn....) - anstatt selbstbewusst als Mitarbeitende, die das Geld auch wert sind.
Über den Lohn zu verhandeln ist per se eine schwierige Sache. Die Betroffenen wollen weder zu gierig noch zu bescheiden erscheinen. Nachfolgend einige Tipps, um bekannte Stolperfallen zu vermeiden:
Gibt es den idealen Zeitpunkt?
Am besten packen Sie das Thema nach einem persönlichen beruflichen Erfolg an, auf den Sie verweisen können, oder wenn sie neue oder zusätzliche Aufgaben übernehmen. Aber auch aus Sicht des Unternehmens gibt es günstige und weniger günstige Zeitpunkte. Ist zum Beispiel gerade die Budgetrunde abgeschlossen und hat der Chef nicht mehr zu verteilen, dürfte es schwierig werden. Idealerweise fragt man also noch vor dem Herbst nach einer individuellen Lohnerhöhung. Ende Jahr ist aber oft auch darum ungünstig, weil dann viele andere auf die Idee kommen, mehr Lohn für kommendes Jahr zu fordern.
Es versteht sich von selbst, dass die Chancen nach einer Gehaltserhöhung besser stehen, wenn es der Firma gut geht. Dort, wo zum Beispiel wegen des Frankenschocks ein Stellenabbau droht, ist der Zeitpunkt denkbar ungünstig. Keine gute Falle macht, wer kurz nach der Neuanstellung einen höheren Lohn verlangt, wurde doch der Lohn eben erst im Bewerbungsgespräch verhandelt. Auch jedes Jahr mit diesem Anliegen zum Vorgesetzten zu rennen ist kontraproduktiv.
Wie profitiert der Arbeitgeber?
Diese Frage sollten Sie immer im Hinterkopf haben, wenn Sie nach Argumenten für mehr Lohn suchen. Zeigen Sie auf, warum es auch für den Arbeitgeber von Nutzen ist, wenn er Ihnen mehr Lohn zahlt. Erläutern Sie anhand von Beispielen aus der Praxis, wie Sie konkret zum Erfolg des Unternehmens beitragen. Absolut tabu sind darum Argumente, die das Privatleben betreffen. Es tut nichts zur Sache, ob Sie gerade knapp bei Kasse sind oder ob Sie ein Haus abbezahlen müssen. Es geht einzig und alleine um ihre Leistung am Arbeitsplatz. Sprechen Sie nicht nur über Ihre Leistungen in der Vergangenheit, sondern erläutern Sie, wie Sie Ihre Zukunft in der Firma sehen und wie Sie sich weiterentwickeln möchten.
Wieviel mehr darf es sein?
Eine der grössten Schwierigkeiten besteht darin, den eigenen Marktwert realistisch einzuschätzen. Finden Sie heraus, was Bekannte verdienen, die in einer ähnlichen Position arbeiten und über eine gleichwertige Qualifikation verfügen. Hilfreich sind auch Lohnrechner wie jener des Bundesamtes für Statistik: www.lohnrechner.bfs.admin.ch
Die Zeit, mehr zu Lohn zu verlangen, ist definitiv angebrochen, wenn man von anderen Firmen umworben wird und ein höheres Gehalt angeboten bekommt. Wer Überdurchschnittliches leistet, sollte dafür sorgen, dass er in seiner Branche auch überdurchschnittlich gut verdient.
Bescheidenheit oder Unverfrorenheit?
In Lohnverhandlungen bewegen sich viele Arbeitnehmenden zu sehr an den beiden Extremen. Sie sind entweder zu bescheiden mit ihrer Forderungen oder nennen eine Zahl, die auch Hartgesottene leer schlucken lässt. Beides ist kontraproduktiv. Der Bescheidene geht vermutlich leer aus, der Unverfrorene muss damit rechnen, dass er bald nicht mehr erwünscht ist – es sei denn, er ist hochspezialisiert und kaum zu ersetzen. Aber es ist als Arbeitnehmer grundsätzlich von Vorteil, sich nicht als alleine geldgetrieben zu outen. Wie es der Name Verhandlung schon sagt: Im Idealfall trifft man sich in der Mitte, so bewahren beide Parteien ihr Gesicht. Wird nämlich Forderung des Arbeitnehmers 1:1 entsprochen, hat er schnell das Gefühl, dass er noch mehr hätte rausholen können.
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