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Egomanen auf der Überholspur

Veröffentlicht am 01.03.2015
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Unter welchen Umständen Narzissmus eine gute Voraussetzung für den beruflichen Aufstieg ist
Machthungrig und selbstverliebt: Solche Mitarbeitende können es weit bringen im Job – und viel Schaden anrichten. Entscheidend bei Beförderungen ist, den gesunden Narzissmus von krankhaften Formen zu unterscheiden.
 
Von Manuela Specker

 

Bei der Karriereberaterin und Psychologin Madeleine Leitner klopfen immer wieder hochrangige Mitarbeitende an, die von ihren Kollegen schikaniert werden. Dieses Mobbing auf höchster Ebene ist keine Seltenheit mehr: „Sie glauben gar nicht, wieviele verzweifelte Manager Hilfe bei mir suchen“, sagte sie gegenüber der  Zeitschrift „Spiegel“. Ins selbe Horn bläst die Unternehmensberaterin Gabriele Euchner: Manager würden oft ohne Angabe von Gründen hinausgeworfen und wie Schwerverbrecher behandelt.
Wenn es auf der obersten Führungsebene so zu und her geht, sagt dies viel über die Beförderungspraxis in einem Unternehmen aus. Laut Leitner sind vor allem grosse Unternehmen anfällig auf Psychospielchen aller Art – zumindest wenn dort keine Werte vorgelebt werden.

„Oben machen sich immer mehr Ego-Typen breit, die nur an die eigene Karriere denken, denen das Wohl des Unternehmens gleichgültig ist.“ In so einem Umfeld würden sich in der Regel die fiesen, machthungrigen Mitarbeitenden durchsetzen. Wer da nicht verstehe, wo die Platzhirsche sitzen und wer mit wem verbandelt sei, habe das Machtspiel schon verloren. Wer sich über Leistung definiert, fleissig und anständig ist, wird es also in solchen Firmen nie weit bringen können – und sollte wohl besser das Weite suchen, bevor man als Rivale kalt gestellt wird.
 
Gerhard Dammann, Spitaldirektor der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen, wundert sich nicht über diese Beförderungslogik; eine gewisse Brutalität und kräftige Ellbogen seien im Management durchaus gefragt. In seinem Buch „Narzissten. Egomanen, Psychopathen in der Führungsetage“ betont er, dass narzisstische Menschen mit ihrem ausgeprägten Wunsch nach Anerkennung und Bewunderung auch eher eine Machtposition anstreben.
 
Eingangs erwähnten Machtspielen liegt also oft  eine ungesunde Portion Narzissmus zugrunde. In der krankhaften Form sind die Betroffenen durch ihre Sehnsucht nach Bewunderung und Macht angetrieben und nicht etwa durch die Identifikation mit der Firma oder der Begeisterung für die Arbeit. Das Interesse kreist ausschliesslich um die eigene Person. Doch dieser Antrieb ist nicht auf den ersten Blick erkennbar: Narzissten wissen genau, wie sie mit ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Eloquenz einen guten ersten Eindruck hinterlassen. Durch ihre fehlende Fähigkeit, auch einmal an sich zu zweifeln, sehen sie darin nichts Falsches – entsprechend schwierig ist es, sie zu durchschauen. Die Grenze zur Psychopathie ist fliessend: «Manche Eigenschaften, die psychopathische Persönlichkeiten mitbringen, prädestinieren sie geradezu für die höhere Laufbahn», meint Dammann. «Narzisstisch, unfähig zum Mitgefühl und verantwortungslos, wie sie sind, tut es ihnen nicht weh, schnell und hart ‹im Sinne der Firma› zu entscheiden».
  
Diese Führungskräfte können in einer Firma enormen Schaden anrichten. So tendieren sie dazu, die Realität zu verleugnen und die Schuld für Fehler immer auf andere abschieben. Laut Dammann sind sie auch nicht in der Lage, in der Krise konstruktiv zu handeln. Im Zentrum ihres Wirkens steht vielmehr die Manipulation und Täuschung.
 
Leichte Formen von Narzissmus hingegen sind für eine Führungsposition sogar von Vorteil – verfügen doch oft gerade diese Personen über viel Charisma, visionäre Stärken und Durchsetzungskraft.  In Krisenzeiten kann das Unternehmen durchaus zugute kommen, weil Menschen mit narzisstischen Zügen nachweislich mutiger sind. Untersuchungen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zeigen jedenfalls, dass bei narzisstischen Chefs die Bereitschaft des Unternehmens steigt, in neue Technologien zu investieren und die Komfortzone zu verlassen. Ein Forscher-Trio von der Cornell University und der Stanford University stellte sogar fest, dass Narzissten mit ihrer Euphorie und ihrem selbstbewussten Auftreten andere Teammitglieder anstecken können, so dass sich die Arbeitsleistung verbessert.
 
Die Grenze zur Selbstüberschätzung und damit zu nicht tragbaren Risiken ist allerdings fliessend. Umso wichtiger scheint es, künftige Führungskräfte auf ihren Grad an Narzissmus testen. Firmen sollten sich nicht vom Auftreten blenden lassen, sondern konkrete Arbeitsresultate genauer unter die Lupe nehmen. Gerhard Dammann empfiehlt generell, eine offenere Kritik-Kultur zu pflegen. Allzu narzisstische Chefs, die nur sich und ihre eigene Karriere im Fokus haben, sollten sich die Worte von Karriereberater Martin Wehrle zu Herzen nehmen: «Eine gute Führungskraft agiert nicht wie ein Egomane, sondern eher wie ein Gärtner. Sie legt ein Beet an, setzt jeden Mitarbeitenden an der richtigen Stelle ein und fördert sein Wachstum.»


Foto: Thinkstock