Im Personalwesen bahnt sich eine kleine Revolution an. Werden Bewerbende bald mit Chatbots zu tun haben?
Von Matthias Adrion*
Sie informieren zu Karriereperspektiven, beantworten Bewerberanfragen und könnten langfristig gar Teile des Vorstellungsgesprächs übernehmen: Die Rede ist von Chatbots – und die haben, glaubt man den Zukunftsforschern, das Zeug für eine kleine HR-Revolution. Was ist dran am Trend?
Chatbots sind kleine Software-Programme, die als virtuelle Anlaufstellen mit den Nutzern von Websites oder sozialen Netzwerken interagieren. Ganz wie ein Gesprächspartner aus Fleisch und Blut reagieren Chatbots auf Fragen, geben bereitwillig Auskunft oder beherrschen sogar die hohe Kunst des Smalltalks. Nun sollen sie diese Fähigkeiten auch im Recruiting einsetzen.
Insbesondere im Kundenservice erfreuen sich die kleinen Helfer bereits seit Anfang der 2000er-Jahre grosser Beliebtheit – viele wurden zwischenzeitlich allerdings auch schon wieder eingestellt. Nicht ohne Grund: Von „künstlicher Intelligenz“ kann bei den meisten dieser Programme kaum die Rede sein. Erfolgreiche Verständigung wird damit häufig zur Glückssache.
Das könnte sich über kurz oder lang ändern. Chatbots für das Recruiting gehören in HR-Kreisen zu den vieldiskutierten Themen. Dafür sorgen auch innovative Tools wie „Chatfuel“. Mit der Software soll sich ein Chatbot, der dann eigenständig über Facebook Messenger mit seinen Nutzern kommuniziert, unkompliziert und vor allem ohne Programmierkenntnisse erstellen lassen.
Wir wagen den Selbstversuch – und tatsächlich: Die Einarbeitung gestaltet sich intuitiv. Schon nach gut einer Stunde haben wir einen Chatbot zusammengebastelt, der in der Lage ist, auf einfache Nutzerfragen angemessen zu reagieren. Was die Sache besonders interessant macht: Antworten kann der Bot nicht nur in Textform. Er kann stattdessen auch Bilder zeigen, YouTube-Videos abspielen oder eine Aktion wie den Versand einer Mail ausführen.
Einzig mit der Intelligenz hapert es auch hier noch. Stellt der Nutzer eine Frage, die einen bestimmten Suchbegriff enthält, reagiert der Chatbot stets mit der vorgegebenen Antwort. Damit das Ganze nicht zu eintönig wird, sind zwar verschiedene Formulierungsalternativen möglich, aus denen dann per Zufallsprinzip eine ausgewählt wird. Kontext spielt dabei allerdings keine Rolle, wodurch viele Einsatzfelder schon von vornherein wegfallen.
Klar: Das sind Probleme, die sich mit einer leistungsstärkeren Software in den Griff kriegen lassen. Doch auch abseits solch praktischer Hindernisse spricht manches dagegen, dass Chatbots kurzfristig den Recruitern ihr Handwerk streitig machen. Da ist zunächst einmal ein sehr grundsätzliches Bedenken: HR ist ein „people business“. Wollen Bewerber über so existenzielle Entscheidungen wie den Jobwechsel wirklich mit einem Automaten sprechen?
Ein weiterer Einwand: Wäre der Aufwand für die Pflege des Chatbots nicht ungleich höher als das gelegentliche Versenden einer Antwort-Mail? Vor allem diese Aufwand-Nutzen-Betrachtung dürfte den Einsatz gerade für kleinere Unternehmen unattraktiv machen. Trotzdem gibt es ein paar Gründe, warum Chatbots mittelfristig sehr wohl ihre berechtigte Rolle im Recruiting finden könnten.
Sinnvoll sind sie nämlich vor allem dann, wenn eine grosse Zahl vergleichbarer Stellen zu besetzen ist. Einmal aufgesetzt, beantwortet der Chatbot ohne Murren auch die zwanzigste Anfrage zur Regelarbeitszeit. Spannend wird es auch dort, wo es gelingt, den Chatbot vollautomatisch mit dem Bewerbermanagement zu verknüpfen. Die Erfahrung zeigt: Ein Grossteil aller telefonischen Bewerberfragen dreht sich nicht um die Position selbst, sondern um den Bewerbungsprozess. Ist die ausgeschriebene Stelle wirklich noch offen? Bis wann darf mit Rückmeldung gerechnet werden?
Selbst in der Bewerbervorauswahl werden Chatbots schon erfolgreich genutzt – zumindest in USA. Ein eindrucksvolles Beispiel liefert der Bot „Mya“ des Anbieters FirstJob aus San Francisco. Mya wird in das Online-Bewerbungsverfahren eingebunden und übernimmt das telefonische Vorab-Screening. So stellt sie den Kandidaten etwa vertiefende Fragen zu Kenntnissen oder Berufserfahrung und gibt direktes Feedback zur Erfolgsaussicht der Bewerbung. Auch die Terminvereinbarung für das (dann reale) Vorstellungsgespräch wird von Mya übernommen. Ganz so weit ist man im deutschsprachigen Raum noch nicht – aber diese Entwicklungen sind ein guter Vorgeschmack darauf, was uns künftig erwarten könnte.
* Matthias Adrion ist Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Employer Branding der Personalmarketing-Agentur Dr. Schmidt & Partner aus Kastanienbaum.
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