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Die erfundene Generation

Veröffentlicht am 15.02.2015
Karriere - Die erfundene Generation - myjob.ch
Die unter 35-Jährigen streben im Berufsleben genauso nach Sicherheit und Status
Die so genannte Generation Y entpuppt sich als Mythos. Sie setzt genauso auf bewährte Werte – und ist nicht weniger leistungsbereit.
 
Von Manuela Specker

 

Es klang fast zu schön, um wahr zu sein: Jahrelang wurden die nach 1980 Geborenen zu einer selbstbewussten Generation hochstilisiert, der sogenannten Generation Y. Nichts würden sie sich diktieren lassen und eigensinnig ihren Weg gehen. Firmen gegenüber würden sie ein gesundes Selbstvertrauen an den Tag legen und unbeirrt Forderungen anbringen, die lauten:  freie Einteilung der Arbeitszeit,  mehr Freizeit, Sinnhaftigkeit beim Arbeitsinhalt und regelmässige Anerkennung. Das alles soll ihnen wichtiger sein als die Höhe des Gehalts. Krisenerprobt aufgrund persönlicher Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt, soll sie bestens mit Unsicherheiten zurecht kommen und sich jederzeit selber neu erfinden, wenn es die Situation erfordert.
 
Diese Eigenschaften sind zu einem grossen Teil Wunschdenken, eine Art Projektion auf eine Generation, die es besser machen soll als ihre Vorgänger, welche dazu tendierten, sich bis hin zum Burnout zu verausgaben und alles auf die Karte Karriere zu setzen. Zugleich sind die Vorstellungen einer „Generation Y“ aber auch Ausdruck eines verzerrten Selbstbildes. Diverse Untersuchungen können jedenfalls keine spezifischen Eigenschaften ausmachen, die es rechtfertigen würden, von einer „Generation Y“ zu sprechen.
 
Eine aktuelle, repräsentative Umfrage des Personalunternehmens Orizon unter mehr als 2000 Arbeitnehmenden  kommt zum Schluss, dass sich die Generation Y von ihren Arbeitgebern genauso Jobsicherheit und eine leistungsgerechte Bezahlung wünscht, während die sogenannten Baby Boomer flexible Arbeitszeiten ebenso schätzen wie die jüngere Generation.
 
„Das spricht für einen breiten Wertewandel in der ganzen Gesellschaft“, sagt Dieter Traub, Geschäftsführer von Orizon. „Arbeitnehmende erwarten, dass sich Arbeitszeiten an das Privatleben anpassen und nicht umgekehrt.“ Die sich wandelnden Präferenzen zu Arbeitgeberleistungen seien also ein gesamtgesellschaftlicher Trend und keine Eigenart der 20- bis 30-Jährigen, heisst es in der Studie unter dem Titel „Arbeitsmarkt 2014 -  Perspektive der Arbeitnehmer“.
 
Sicherheit und Status anstatt Selbstbestimmung und Freiheit: Der Jugendforscher Klaus Hurrelmann beobachtet ebenfalls, dass traditionelle Werte bei jüngeren Menschen keineswegs an Bedeutung verloren haben. „Viele haben den Wunsch nach einem Haus mit Garten.“ Junge Menschen sparten wieder gerne und seien gerne spiessig. In der Tat scheint die Annahme, Vertreter der Generation Y seien ständig auf dem Sprung und wollten sich nicht an einen Arbeitgeber binden, nur auf wenige zuzutreffen. Das Beratungsunternehmen Accenture stellte in seiner Umfrage „Generation Y im Berufsalltag“ fest, dass sich mehr als die Hälfte explizit einen sicheren Arbeitsplatz wünscht. Nur gerade 12 Prozent erwägen, innerhalb der nächsten zwölf Monate den Job zu wechseln. Dazu passen die Resultate der eingangs erwähnten Orizon-Studie: Unter den Befragten gaben die meisten Studierenden den öffentlichen Dienst als Wunsch-Arbeitgeber an.

Das deckt sich mit den Ergebnissen der Untersuchung der Unternehmensberatung Consulting Cum Laude unter 1000 Vertretern der vermeintlichen Generation Y: Die Mehrheit wünscht sich konventionelle Karrieren und einen sicheren Job. Und dafür sind sie bereit, viel zu leisten und eine hohe Zielstrebigkeit an den Tag zu  legen. Werte wie Sinnsuche und Selbstverwirklichung, die der Generation Y zugeschrieben werden, spielen nur für 21 Prozent der Befragten eine Rolle.
 
Wenn jüngere Menschen selbstbewusster gegenüber ihrem Arbeitgeber auftreten und vermehrt versuchen, nach ihren Bedürfnissen zu leben anstatt sich anzupassen, dann hat das sehr viel mit der demografischen Entwicklung zu tun – es stehen heute viel weniger junge Menschen im Arbeitsmarkt als zu Zeiten, als die Vertreter der Babyboomer-Generation noch jung waren und sich um Jobs stritten. Gemäss dem Soziolgen Klaus Hurrelmann hat die Generation Y die Beweislast umgekehrt. „Nicht nur sie müssen einem potentiellen Arbeitgeber erklären, warum er sie einstellen sollte. Der Arbeitgeber muss ihnen auch erklären, warum sie für ihn arbeiten sollten.“


Foto: Thinkstock