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Ein Uni-Abschluss bietet keine Jobsicherheit

Veröffentlicht am 26.10.2014
junge Menschen, Druck wächst,  Uni-Studium,   Berufslehre bietet attraktive Perspektiven - myjob.ch
Tobias Zaugg von Pfister sagt, warum die Berufslehre genauso vielversprechend ist wie die Matura
Auf junge Menschen wächst der Druck, ein Uni-Studium in Angriff nehmen zu müssen. Dabei bietet die Berufslehre attraktive Perspektiven, wie das Beispiel der Pfister Gruppe zeigt.
 
Von Manuela Specker

Die Berufslehre gerät gegenüber der gymnasialen Ausbildung ins Hintertreffen. Der Ökonom Rudolf Strahm spricht von “Akademisierungsfalle” - ein Universitätsstudium gilt bei vielen Eltern, aber auch bei jungen Leuten als Königsweg. Wie erklären Sie sich dieses Phänomen?
Tobias Zaugg*: Die jungen Leute wachsen heute mit der Vorstellung auf, sich ständig weiterbilden zu müssen, um den Anschluss nicht zu verpassen. Diese Ängste spüre ich auch bei manchen Eltern. Sobald beispielsweise empfohlen wird, dass ihr Sohn oder ihre Tochter während der Berufslehre in das schulisch einfachere Profil wechseln sollte, fragen sie sich, ob ihr Nachwuchs so jemals Chancen auf einen Job hat. Bei einem Uni-Studium gehen zudem viele davon aus, dass ein Abschluss mehr Jobsicherheit bietet. Aber das stimmt nicht.
 
Weil ja auch die Berufslehre erst der Anfang ist und viele Perspektiven bietet?
Genau. Unser Berufsbildungssystem ist sehr durchlässig. Egal, welchen Beruf man lernt: Wer dranbleibt, dem stehen alle Möglichkeiten offen. Mit einer Berufslehre verbaut man sich nichts, im Gegenteil. Ich denke beispielsweise an die Weiterbildungsmöglichkeiten mit Fachausweis, an die Höheren Fachschulen oder an die Fachhochschulen. Eine Berufslehre hat zudem den Vorteil, dass die jungen Leute früh merken, welche Art von Arbeit ihnen zusagt und welche eher weniger.
 
Was unternimmt Pfister, um die Berufslehre attraktiv zu gestalten?
Es ist ganz zentral, den Lernenden etwas zuzutrauen und ihnen ganzheitliche Aufgaben zu übergeben, die Sinn machen. Im Verkauf beispielsweise sollen auch Lernende früh im direkten Kundenkontakt stehen und ein Verkaufsgespräch von A bis Z durchführen können. Bei Unsicherheiten gibt es ja immer noch ausgebildete Mitarbeiter, die ihnen zur Seite stehen. Ich war schon oft überrascht, was für tolle Dinge herauskommen, wenn man die Lernenden selbstständig arbeiten lässt.  
 
Ein entscheidender Faktor für einen erfolgreichen Lehrabschluss ist zweifellos bereits die Rekrutierung. Worauf achten Sie bei der Auswahl von Lernenden?
Die Schulnoten sind ein Faktor, vor allem im Hinblick auf die Berufsschule. Da unsere Lernenden oft in Kontakt mit Kunden stehen, schauen wir auf die Sozialkompetenz und ihr Auftreten. Allgemein ist uns eine positive Grundeinstellung sehr wichtig. Ein Erfolgsfaktor sind sicher auch die Schnuppertage, welche die Bewerbenden immer bei aktuellen Pfister Lernenden absolvieren. Deren Eindrücke berücksichtigen wir dann bei der Entscheidung – ebenfalls ein Zeichen, dass wir unsere Lernenden ernst nehmen.
 
Nicht in allen Firmen bringen Lehrmeister für ihre Aufgabe das notwendige Rüstzeug mit und können die Fähigkeiten der Lehrlinge weder einschätzen noch fördern. Wie stellt sich Pfister diesen Herausforderungen?
Entscheidend ist die richtige Auswahl der Berufsbildner: Sind diese bereit, ihr Wissen weiterzugeben und mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten? Wir schicken unsere Berufsbildner zudem in die Lehrmeister-Kurse, und wir sorgen dafür, dass sie sich regelmässig untereinander austauschen.
 
Die Schulabgänger müssen sehr früh die Weichen für ihre berufliche Zukunft stellen. Wann sollte sich aus Ihrer Sicht ein Jugendlicher besser für eine Berufslehre entscheiden anstatt für das Gymnasium?
Wenn jemand genug von der Schule hat und lieber in die Arbeitswelt treten möchte, stehen die Zeichen eher auf Berufslehre. Wer weiterhin in erster Linie die Schulbank drücken möchte und einen bestimmten Berufswunsch wie Arzt oder Juristin hat, schlägt wohl am besten den gymnasialen Weg ein. Aber es geht nicht darum, das eine gegen das andere auszuspielen. Längst nicht alle kennen ihre Zukunftspläne zu diesem Zeitpunkt. Deshalb ist es wichtig zu wissen, dass man sich mit seinem Entscheid nichts verbaut, gerade auch mit einer Berufslehre. Alle sollten das machen können, was ihnen am meisten zusagt.
 
*Tobias Zaugg ist HR-Manager bei der Pfister Gruppe und unter anderem für die Berufsbildung sowie für die Aus- und Weiterbildung verantwortlich.
 
12 Prozent Lehrlinge
Die Pfister Gruppe beschäftigt gegenwärtig 220 Lernende, das entspricht rund 12 Prozent des Personals. Ausgebildet werden Detailhandelsfachleute (in den Bereichen Möbel, Haushalt oder Textilien), Polydesigner 3D, Kaufleute, Mediamatiker, Logistiker, Wohntextilgestalter, Recyclisten und Bodenleger. „Bei unserer Grösse wollen wir unsere Verantwortung gegenüber den jungen Leuten wahrnehmen und ihnen eine Chance bieten, im Berufsleben Fuss zu fassen“, sagt Tobias Zaugg. Dahinter steckt natürlich auch ein strategischer Gedanke: Als starker Ausbildungsbetrieb sichert sich Pfister so den eigenen Nachwuchs – in Zeiten des Fachkräftemangels ein Wettbewerbsvorteil.