Weshalb Auslandaufenthalte längst nicht immer karrierefördernd sind.
Wer sich jobmässig im Ausland bewährt, erlebt nach der Rückkehr oft einen Dämpfer. Trotzdem scheint Auslandserfahrung für die Karriere unerlässlich. Wie geht das zusammen?
Von Manuela Specker
Jeder, der sich schon einmal in einer neuen Kultur, in einer völlig fremden Umgebung zurecht finden musste, kennt dieses Gefühl der Genugtuung, wenn die Startschwierigkeiten überwunden sind. Die Langzeitstudie „Global Expatriated Observatory“ bestätigt den grossen Mehrwert eines Auslandaufenthaltes für die eigene Persönlichkeit: Eigenschaften wie Weltoffenheit, Selbstreflexion und Toleranz können in solchen Lebensumständen besonders gedeihen. Die mehr als 400 befragten Expatriates – Personen also, die von ihrer Firma ins Ausland entsendet worden sind – sehen den Schlüssel zu einem erfolgreichen Auslandaufenthalt darin, sich mit der Kultur vor Ort vertraut zu machen.
Genau dieser Befund wurde nun von einer Untersuchung der Webster Vienna Private University bestätigt: Arno Haslberger vom Departement of Business and Management untersuchte anhand von mehr als 150 Expats, die in Wien leben, den Einfluss von kultureller Anpassung auf die Entwicklung und den Zuwachs beruflicher Kompetenzen. Dabei zeigte sich, dass es die positiven emotionalen Reaktionen auf eine neue Kultur sind, die den Zuwachs an Karrierekompetenzen am stärksten beeinflussen. Wer also nicht unter Heimweh leidet, wer sich über die neuen Erfahrungen und Eindrücke freut und auf die neue Kultur einlässt, lernt auch am meisten. Anpassungen auf der emotionalen Ebene scheinen in einer fremden Umgebung einen grösseren Einfluss auf die beruflichen Kompetenzen zu haben als auf der kognitiven, rationalen Ebene, wozu beispielsweise das Verständnis für andere Wertvorstellungen zählt.
Allerdings können längst nicht alle Expats ihre gemachten Erfahrungen nach der Rückkehr in beruflichen Erfolg ummünzen. Zwar erhoffen sich in der Studie der Wiener Universität 70 Prozent aller Expats explizit einen Schub für ihre Karriere, aber nur bei einem Drittel geht dieser Wunsch in Erfüllung. Woran liegt das? Warum werden die unbezahlbaren Erfahrungen nicht mehr geschätzt? Diese Frage ist umso berechtigter, also heute unbestritten ist, dass für eine steile Karriere ein Auslandsaufenthalt zwingend ist. Aber eben: Die Rückkehrer erleben oft einen zweiten Kulturschock.
„Man sollte meinen, dass diese Mitarbeitenden mit ihrem internationalen Erfahrungsschatz nach ihrer Rückkehr gehegt und gepflegt werden. Dem ist aber nicht so, ganz im Gegenteil: Viele, die einen Repatrierungsprozess hinter sich gebracht haben, verlassen aus Frustration das Unternehmen“, bestätigt Monika Huemayer, Senior Consultant bei Berlitz, unter dessen Federführung die Langzeitstudie „Global Expatriated Observatory“ durchgeführt wurde. Nur bei 35 Prozent der befragten Expats war die Rückkehr überhaupt geplant, 30 Prozent wären lieber im Ausland geblieben, und 35 Prozent hätten eine neue Herausforderung in einem anderen Land vorgezogen.
Dieses Auseinanderdriften zwischen den Bedürfnissen der Expats und der Firma im Heimatland ist wohl mit ein Grund, weshalb viele nach der Rückkehr im Betrieb nicht mehr weiterkommen. Ein anderer liegt sozusagen in der Natur der Sache: Heimkehrer erfahren die Arbeitsbedingungen im Mutterhaus als weniger flexibel, autonom und unabhängig. Waren sie im Ausland vielleicht für eine grosse Region verantwortlich, müssen sie sich in ihrem Heimatland wieder in die Hierarchien einordnen.
Auch ist die Zeit nicht stehen geblieben, während sie weg waren. Einstige Bürokollegen haben neue Aufgaben übernommen, wurden befördert, haben eifrig Kontakte geknüpft, Prozesse wurde verändert, Einheiten geschlossen, neue aufgebaut – kein Wunder, fällt es so manchen Expats schwer, ihren Platz im Unternehmen wieder zu finden. Durch ihren Auslandaufenthalt sind sie aus den bisherigen Karrierenetzwerken herausgefallen, wie auch die Studie „Global Expatriate Observatory“ zeigt. „Ich fühlte mich wie ein Kriegsheimkehrer“, sagte einer der Teilnehmer. „Niemand daheim konnte nachvollziehen, was ich erlebt hatte“. Ein französischer Expat gab zu Protokoll, dass die Firma nicht wusste, was sie mit seinem Profil anfangen sollen, „ich war völlig losgelöst“.
Am meisten zu denken gab den Rückkehrern die fehlende Anerkennung der neu gewonnenen Erfahrungen. Nur gerade 19 Prozent der Rückkehrer wurden aktiv vom Arbeitgeber gecoacht. Darin liegt der Schlüssel zu einer erfolgreichen Reintegration. Andreas Bittner, Geschäftsführer des Institutes für Interkulturelles Management, kritisiert, dass es in vielen Firmen kein Konzept gibt, wie die Erfahrung im Ausland systematisch genutzt werden könnte. Die Karriereplanung sollte also zusammen mit dem Unternehmen schon vor der Entsendung erfolgen. Während des Aufenthaltes ist ein permanenter Kontakt mit dem Mutterhaus unerlässlich, idealerweise in Form eines Coachings oder Mentorings.