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Was sind die neuen Werte?

Veröffentlicht am 02.10.2016
Was sind die neuen Werte?
Vertreter der „Generation Y“ übernehmen zunehmend verantwortungsvolle Positionen. Das verändert die Arbeitswelt tiefgreifend.   Interview: Manuela Specker
Mit jedem Jahr steigt der Anteil der Führungskräfte, die zu den Vertretern der etwa ab 1980 geborenen “Digital Natives” gehören. Das erfordert auch da ein Umdenken, wo es gilt, leistungsstarke Mitarbeitende zu finden und im Unternehmen zu halten. Headhunter Lothar Schmidt, seit 30 Jahren als Hauptgesellschafter der Kommunikations- und Personalberatung Dr. Schmidt & Partner Group in der HR-Branche aktiv, über neue Wege in Recruiting, Personalmarketing und Kandidatenansprache.
 
Work Life Balance, flache Hierarchien, Nachhaltigkeit, Spass an der Arbeit, Sinn – das sind die Schlagworte, wenn derzeit über die Attraktivität von Arbeitgebern diskutiert wird. Legen Kandidaten heute bei der Arbeitgeberwahl andere Massstäbe an als früher?
 
Lothar Schmidt: Sicher, wobei man die Antwort schwer verallgemeinern kann. Wir sprechen ja auch innerhalb der Generation Y nicht von einer einheitlichen Zielgruppe, sondern von Menschen mit ganz individuellen Hintergründen und Lebensentwürfen. Da ist der klassisch Karriereorientierte ebenso vertreten wie der sinnsuchende Idealist. Was aber zu beobachten ist: Es gibt einen steigenden Anteil an Nachwuchskräften, für die beruflicher Aufstieg, Work Life Balance, ein Miteinander auf Augenhöhe und eine sinnstiftende Aufgabe keine Widersprüche mehr sind. Und genau das kommt jetzt vermehrt in den Führungsetagen an – selbst bei den älteren Semestern. Ob der Krawattenzwang abgeschafft oder die Du-Kultur eingeführt wird: Da ist derzeit über alle Branchen hinweg viel in Bewegung.
 
Die „Digital Natives“ zeichnen sich dadurch aus, dass sie in einer digitalen Welt aufgewachsen sind. Braucht es für eine erfolgreiche Kandidatenansprache heute andere Kanäle als vor 30 Jahren?
 
Wenn 1986 eine Vakanz zu besetzen war, gab es dafür meist genau zwei Optionen: die klassische Stellenanzeige in der Tageszeitung und die verdeckte Suche via Direktansprache. Heute haben Recruiter eher das Problem, dass sie aus einer kaum überschaubaren Zahl an Kanälen auswählen müssen, darunter Online-Stellenbörsen, Jobsuchmaschinen, soziale Medien, Ambient-Kanäle und Karrieremessen. Und fast wöchentlich kommen weitere Plattformen mit neuen Heilsversprechen hinzu. Die grosse Herausforderung besteht also darin, herauszufiltern, welche Kanäle überhaupt ein sinnvoller Bestandteil des Personalmarketing-Mix sind. Dabei ist, nebenbei bemerkt, auch die Print-Ausschreibung keineswegs überholt: Die jüngste Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bescheinigt diesem Kanal nach wie vor die höchste Erfolgsquote unter den externen Suchwegen.
 
Mit welchen Inhalten lassen sich die „Digital Natives“ denn am ehesten ansprechen?
 
Da gilt wie so oft: Nicht das „Was“, sondern das „Wie“ entscheidet. Wichtig sind vor allem Offenheit, Authentizität und Transparenz in der Kommunikation. Dabei hilft es, seine Botschaften nicht nur nüchtern als nackte Information in die Welt zu streuen, sondern die konkrete Arbeitswelt in Form emotional ansprechender Geschichten greifbar zu machen. Die Art und Weise, wie Recruiting-Botschaften aufbereitet und kommunikativ umgesetzt werden, hat sich in den vergangenen Jahren unglaublich professionalisiert. Das heisst aber auch: Ohne professionelle Unterstützung, sei es inhouse oder durch einen externen Spezialisten, geht es kaum noch.
 
Ändern sich angesichts der rasant fortschreitenden Digitalisierung denn auch die Anforderungen der Unternehmen an ihre Wunschkandidaten?
 
Absolut. Durch die zunehmende Verdichtung und Komplexität unserer Arbeitswelt ist leider mehr denn je die eierlegende Wollmilchsau gefragt. Nur ist die eben entsprechend schwer zu finden. Ein weiterer Trend: Bedingt durch die Tatsache, dass Informationen heute dank digitaler Vernetzung viel einfacher verfügbar sind, entwickeln wir uns weg von der reinen Wissensgesellschaft hin zu einer „Skill Society“. Entscheidend wird immer weniger sein, was ich weiss, sondern vielmehr, was ich mir durch meine vorhandene Kompetenz in kürzester Zeit aneignen kann. Die Fähigkeit zum Umgang mit Komplexität, die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen, die anhaltende Offenheit für Neues – das sind die Erfolgstreiber künftiger Karrieren.
 

Dr. Lothar Schmidt ist Hauptgesellschafter der Dr. Schmidt & Partner Group (drsp), die seit 1986 in verschiedenen Einzelgesellschaften die Themen Executive Search, Personalmarketing und Employer Branding vorantreibt. Standorte sind Luzern, Norderstedt (Hamburg) und Frankfurt/Main. drsp ist zudem Veranstalter der advanceING, der Messe für das Recruiting von Fach- und Führungskräften im MINT-Bereich (nächste Durchführung am 16.November 2016 im Kongresshaus Zürich).  
Bildquelle: Thinkstock