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Es muss nicht immer das KV sein

Veröffentlicht am 26.01.2014
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In der Schweiz gibt es 250 Lehrberufe – die wenigsten aber sind geläufig und gefragt  
Ein Job im Büro – bei der Berufswahl sind Jugendliche nicht eben kreativ, sondern stürzen sich auf das, was die anderen auch machen. Dabei lohnt sich die Suche nach Unbekanntem und Untypischem. Und Vorurteile über schlechte Jobs sollte man gleich über Bord werfen.

Von Vera Sohmer
 
Auf dem Bau wird geraucht, getrunken und mit 55 ist man körperlich am Ende. Hinzu kommen ein mickriger Lohn und miserable Karriere-Chancen. Vorurteile, die sich in die Köpfe eingebrannt haben. Und von Eltern, Lehrern und Berufsberatern noch geschürt werden nach dem Motto: „Du bist in die Sek gegangen. Willst du dir allen Ernstes die Hände dreckig machen?“ Oder: „Eine Lehre auf dem Bau? Das machen doch nur jene, bei denen es zu mehr nicht gereicht hat.“

Solche Aussagen und das, was Gleichaltrige denken, beeinflussen und beschränken die Berufswahl. Obwohl viele vielleicht das Händchen zum Maurer, Steinmetz oder Strassenbauer hätten. Und es sich, wenn sie in sich hineinhorchen, sogar vorstellen könnten. Aber sich seinem Freundeskreis im Arbeitskittel zeigen? Wohl kaum, doch eher im chicen Anzug.

Welches Prestige ein Beruf hat und ob sich damit gutes Geld verdienen lässt, ist den Jungen wichtig. Das Gros von ihnen glaubt, beides in einem kaufmännischen Beruf zu finden. Kein Wunder ist die KV-Lehre noch immer am beliebtesten. Kein Wunder stehen andere Branchen ohne oder mit zu wenigen Lehrlingen da – neben dem Bau beispielsweise das Karosseriegewerbe oder die Hotellerie. Und wer will schon Maler werden? Oder Coiffeurin? Und wer weiss, was ein Spengler macht?

In der Schweiz können Jugendliche unter 250 Lehrberufen wählen. Was deren Inhalt ist und welche Aufstiegsmöglichkeiten sie bieten, ist von den wenigsten bekannt. Junge konzentrieren sich bei ihrer Auswahl auf ein kleines Feld und wenige Berufe. Aus gerade einmal fünf wählen Frauen – etwas im Büro, im Verkauf oder allenfalls noch im Service kommt in Frage. 14 Berufe sind es bei Männern. Ebenfalls einen Bürojob können diese sich vorstellen, Elektro- und Maschinentechnik ist gefragt, der Verkauf oder eine Ausbildung, die mit Natur oder Holz zu tun hat. Was es sonst noch alles gibt, bleibt eine grosse Unbekannte und interessiert nicht wirklich.

Branchen, die händeringend Stifte suchen, üben Selbstkritik. Man habe es versäumt, für sich Reklame zu machen und das Positive herauszustreichen. So geht etwa der Schweizer Fleisch-Fachverband in die Offensive. Er wirbt auf seiner Internet-Seite swissmeatpeople.ch mit Sympathieträgern – strahlenden Gewinnern und Gewinnerinnen von Berufsmeisterschaften und weiteren kreativen Köpfen auf Karrierekurs. Die Kampagne soll helfen gegen das Bild vom Schlächter mit blutverschmierter Schürze. Denn genau dieses schreckt potenziellen Nachwuchs ab. Jede zweite Lehrstelle war letztes Jahr unbesetzt.

Auch die Baubranche will ihr Image aufpolieren und zeigen, was sie drauf hat: Dass hier seriöse Leute mit Grips arbeiten. Sich der Verdienst sehen lassen kann. Ein Maurer verdient nach abgeschlossener Grundausbildung 5500 Franken, mehr als mancher am Schreibtisch oder hinter dem Schalter. Und dass die Karriere-Aussichten glänzend sind. Wer Biss hat, kann es in kurzer Zeit vom Vorarbeiter zum Polier, danach zum Bauführer und zum Baumeiter bringen. Und – was viele nicht wissen – in einer Kaderposition die Baustelle gegen das Büro tauschen. Auch hier mit hervorragender Bezahlung. Je nach Funktion, Region und Grösse des Unternehmens liegen bis zu 15 000 Franken drin.

Im vergangenen Jahr blieben laut Lehrstellenbarometer von 95 500 Ausbildungsplätzen 8500 unbesetzt. Das ist die schlechte Nachricht. Es lässt sich daraus aber auch einen gute ableiten: Ausgetrampelte Pfade zu verlassen, das Unbekannte und Ungewöhnliche zu suchen, erhöht die Chancen, eine Lehrstelle zu finden. Umsichtige Berufsberater empfehlen, nichts auf Klischees zu geben, sondern sich selbst ein Bild zu verschaffen. Das führt vielleicht zu Berufen, die man nie und nimmer auf dem Radar gehabt hätte. Mehrtägige Schnupperlehren sind dafür geeignet. Oder Gespräche mit jungen Berufsleuten und Lehrlingen. Wer Glück hat, kennt in seinem Umfeld nicht nur Büroangestellte. Sondern trifft vielleicht auf einen zum Lebensmitteltechnologen aufgestiegenen Müller. Oder eine Diät-Köchin in Ausbildung, die in einem noblen Wellness-Hotel arbeitet und sich nichts Besseres vorstellen kann. Oder auf einen Polybauer. Der hiess früher Dachdecker, muss aber noch immer schwindelfrei und wetterfest sein. Und ist ansonsten ein gefragter Typ.

Infos über Lehrberufe: www.berufsberatung.ch