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Keine Garantie aufs Gesundbleiben

Veröffentlicht am 09.01.2017
Keine Garantie aufs Gesundbleiben
Spezialisierte Kliniken werben mit Vorsorge-Tests für Firmenkunden – der Nutzen ist umstritten  
Bauchumfang, Lungenfunktion, Sehvermögen: Medizinische Check-ups gehören heute für viele Berufsleute auf die Agenda. Aber möglichst viel bringt meistens ziemlich wenig.

Von Vera Sohmer
 
Es klingt verheissungsvoll: „Gute Gesundheit ist die Grundvoraussetzung für hohe Lebensqualität, anhaltende berufliche Leistungsfähigkeit und ein erfülltes Privatleben“, heisst es bei der Privatklinikgruppe Hirslanden. Sie wirbt damit für ihre medizinischen Check-ups. Diese sollen helfen, Risiken und Krankheitsherde früh zu erkennen und zu behandeln. Denn je eher man aktiv wird, desto grösser sei der Behandlungserfolg und desto kürzer die Behandlungsdauer.
 
Empfehlung: In die eigene Gesundheit investieren und ab dem 35. Lebensjahr zum Check-up gehen, insbesondere dann, wenn jemand beruflich stark eingespannt ist. Auf jeden Fall aber sollten Männer und Frauen sich ab dem 50. Lebensjahr regelmässig untersuchen lassen. Die Hirslanden-Kliniken bieten Untersuchungen in speziellen Zentren an. Sie kosten zwischen 1500 und 4000 Franken und werden entweder von den Kunden selbst oder von ihren Arbeitgebern bezahlt.
 
Auf Personen zwischen 40 und 65 Jahren ist der Business-Check-up zugeschnitten. Er beinhaltet unter anderem altersangepasste Laboruntersuchungen (Blut, Urin, Bluttfette, Diabetes) und prüft die Herz-Kreislauf- sowie die Lungenfunktion. Er misst den Body-Mass-Index, den Körperfett-Anteil, den Bauchumfang, zudem Kraft und Beweglichkeit der Wirbelsäule. Zum Paket gehören ausserdem eine Sehtest und eine Prostatauntersuchung. Eine umfassende Gesundheitsberatung schliesst sich an.
 
Unter einer Reihe zahlreicher Anbieter wirbt auch das Medizinische Zentrum des Grand Resorts Bad Ragaz mit einem speziellen Business-Check-up. Er umfasst eine ausführliche Anamnese, ebenfalls eine Serie von Laboruntersuchungen, ein Ruhe-EKG, eine Blutdruckmessung sowie ein ausführliches Abschlussgespräch. Das Angebot richtet sich speziell an Firmen. Denn: Wer sich als Arbeitgeber um die Gesundheit seiner Belegschaft kümmert, so das Argument, schaffe eine Win-win-Situation. Schliesslich bringen gesunde Mitarbeiter gesteigerte Leistung und höhere Produktivität. Spezialtarife gibt es ab fünf Personen. Pro Kopf werden 940 Franken berechnet. Wer will, kann gleich ein ganzes Paket mit Aufenthalt im Grand Hotel buchen.
 
Check-ups sind bei Berufsleuten beliebt und für Anbieter ein lukratives Geschäft. Welche Untersuchungen für wen sinnvoll sind, ist aber umstritten. Auch ist mit den Tests keine Garantie aufs Gesundbleiben verbunden, denn selbst modernste Diagnosetechnik schafft es nicht, beispielsweise heimtückische Tumore zu entdecken. Das ist die eine Seite. Auf der anderen besteht die Gefahr von Überdiagnosen mit teils unnötigen Folgeuntersuchen, warnt der Arzt und Epidemiologie Johannes G. Schmidt. Tipp deshalb: Prüfen Sie einen Anbieter auf Herz und Nieren. Wichtig ist, dass er auf persönliche Bedürfnisse, Wünsche und Risikofaktoren eingeht, sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützt – und nicht einfach möglichst viele Untersuchungen aneinanderreiht.
 
Die Zürcher Gruppenpraxis Medix empfiehlt grundsätzlich: sich auf wenige Tests beschränken, die nachweislich einen Nutzen bringen. Für Berufsleute mittleren Alters ist das Blutdruckmessen sinnvoll. Darüber hinaus Cholesterin- und Blutzuckerwerte zu bestimmen und den Augendruck zu messen. Spezielle Check-up-Zentren braucht es dafür nicht; die meisten Tests kann der Hausarzt oder die Hausärztin machen. Er oder sie kennt meistens auch die Krankheitsgeschichte des Patienten und kann individuell auf ihn eingehen. Gehört man einer Risikogruppe an, kommen weitere Vorsorge-Tests dazu. Beispielsweise Darmspiegelungen bei Dickdarmkrebs-Fällen in der Familie oder Hautuntersuchungen, wenn ein familiär erhöhtes Risiko besteht.
 
Präventivmediziner raten darüber hinaus: Statt sich teuer durchchecken zu lassen, die Sache selbst in die Hand nehmen und gesund leben. Dazu gehört ausgewogene Ernährung, Bewegung, nicht rauchen, wenig Alkohol. Und lernen, mit hoher Arbeitsbelastung und Stress umzugehen.

Bildquelle: Thinkstock