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“Unser Wohlstand stresst”

Veröffentlicht am 01.06.2014
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“Unser Wohlstand stresst” Wie Transparenz und Rückverfolgbarkeit für Firmen zum Wettbewerbsvorteil werden können
Switcher-Gründer Robin Cornelius sagt, was die Mitarbeiterzufriedenheit mit der sozialen und ökologischen Verantwortung einer Firma zu tun hat – und weshalb ein Teilzeit-Pensum allen gut tun würde. 
 
Von Manuela Specker
 

In Ihrem Buch raten Sie allen Menschen, nur noch 80 Prozent zu arbeiten. Was erhoffen Sie sich davon?
Robin Cornelius: Mehr Zufriedenheit für alle. Wenn zudem vier Leute nur noch vier Tage pro Woche arbeiten,  entsteht so ein fünfter Arbeitsplatz zu 80 Prozent.  Ich stelle allerdings auch fest, dass viele Leute Angst davor haben. Sie wissen nicht, was sie mit der zusätzlich gewonnenen Freizeit anfangen sollen. Anstatt darüber nachzudenken, flüchten sie in den Konsum und sind darum auch nicht bereit, weniger Einkommen hinzunehmen. Eigentlich ist dieses Verhalten völlig irrational.  Mit 80 Prozent verdient man zwar einen Fünftel weniger, hat aber zugleich viel mehr Freizeit. Statt diesen Freiraum zu nutzen, streben wir nach immer mehr Wohlstand und müssen gleichzeitig feststellen: Unser Wohlstand stresst.
 
Hat sich vielleicht gerade deshalb die Corporate Social Responsibility, die Ihnen so sehr am Herzen liegt, in den Unternehmen noch nicht stärker durchgesetzt?
Wir sprechen nun schon seit über 20 Jahren von der Corporate Social Responsibility. Ein Problem, das nach wie vor nicht gelöst ist: wie kann man dem Endverbraucher all die Zwischenschritte aufzeigen, die zu Herstellung eines Produkts notwendig sind und die garantieren, dass faire Arbeitsbedingungen eingehalten werden? Wie kann die Ökobilanz vermittelt werden? Ich denke beispielsweise an ein Ampelsystem mit den Farben Grün, Orange und Rot auf einem Produkt, das etwas über die Ökobilanz aussagen würde. Bei Switcher haben wir mit respect-code.org eine Homepage geschaffen, welche die Rückverfolgbarkeit vom Rohstoff bis zum Fertigprodukt ermöglicht.
 
Aber Hand aufs Herz: In vielen Unternehmen ist Corporate Social Responsibility nicht mehr als ein Marketingtool, um nach aussen gut dazustehen.
Das hat natürlich auch mit dem Konsumverhalten zu tun. Die meisten Menschen orientieren sich primär am Preis und an der Marke, nicht an der Ökobilanz. Aber sie wollen in der Regel mit ihren Kaufentscheiden keine Missstände unterstützen. Und dafür stehen die Unternehmen in der Verantwortung.
 
Hat ein Unternehmen,  das seine ökologische und soziale Verantwortung nicht wahrnimmt, langfristig gesehen überhaupt eine Zukunft?
Ich sehe zwei Risiken. Zum einen Firmen, welche wichtige Trends verpassen wie Kodak mit der Digitalfotografie oder Nokia mit den Smartphones. Zum anderen Firmen, die ihren Ruf aufs Spiel setzen, weil sie nicht rechtzeitig auf die Bedürfnisse ihrer Kunden reagieren. Wenn Apple-Fans ein iPhone wünschen, das unter ethisch vertretbaren Bedingungen produziert wird, tut Apple gut daran, diesem veränderten Bewusstsein Rechnung zu tragen. Im Moment ist der Druck noch nicht allzu gross. Wenn ein Unternehmen 13 Milliarden Dollar in einem Quartal macht, gibt es keinen Anreiz, die Arbeitsbedingungen zu verbessern oder ökologische Materialien einzusetzen. Aber das kann sich schnell ändern.
 
Eine Firma kann die Corporate Social Responsibility nur leben, wenn sie auch einen nachhaltigen Umgang mit den Mitarbeitenden pflegt. Wie stellen Sie es an, dass Ihre Angestellten gerne für Switcher arbeiten?
Die Endverbraucher mögen Switcher. Darauf sind die Mitarbeitenden stolz, und das motiviert sie auch. Zudem haben wir flache Hierarchien, und die Mitarbeitenden dürfen Fehler machen – unter solchen Umständen sprudeln die Ideen geradezu. Mit selber ist es ein grosses Anliegen, dass die Leute gerne zur Arbeit kommen. Bei Switcher ist es ganz zentral, Freiräume zu gewähren, so können eigene Lösungen entwickelt werden. Es sitzen schon genug Leute ein Drittel ihres Lebens lustlos im Büro ab.

Das Switcher-Prinzip
Eine faire Produktion mit entsprechender Rückverfolgbarkeit anstatt tiefe Preise und immer noch modischere  Trends: Für diese Überzeugung steht Robin Cornelius mit seinem Unternehmen Switcher, das er in erster Linie als Ethik- und nicht als Textilunternehmen versteht. Er, der sich immer nur seinen eigenen Träumen und nie den Erwartungen eines Chefs verpflichtet fühlte, gewährt im Buch „Das Switcher-Prinzip“ Einblick in seine Gedankenwelt. Was macht einen guten Unternehmer aus? Unter welchen Bedingungen entfaltet sich Kreativität? Warum braucht es mehr Kooperation statt Konkurrenz? Warum überschätzen wir den Einfluss des Geldes auf unsere Lebenszufriedenheit? Das Buch ist voller kluger Gedanken, die dazu anregen, eigene Werte und Gewohnheiten zu hinterfragen.
Robin Cornelius / Mathias Morgenthaler: Das Switcher-Prinzip. Wörterseh Verlag, 2013.
Das Buch kann für 19. 90 statt 24.90 Fr. direkt beim Verlag bestellt werden. Mail an leserangebot@woerterseh.ch