Eine Intrige kommt selten allein / Willkommen im Intrigantenstadl
Warum heute im Arbeitsumfeld häufiger intrigiert wird – und wie man sich wehrt.
Alle reden von Mobbing. Das verdeckt die Komplexität von Job-Intrigen, die mindestens so grossen Schaden anrichten.
Von Manuela Specker
Intrigen, das ist doch eine Sache unter Politikern oder allenfalls unter mächtigen Wirtschaftskapitänen. Wenn der normale Mitarbeitende zur Zielscheibe wird, dann, so die vorherrschende Meinung, handelt es sich um Mobbing. Falsch, sagen sowohl Regina Michalik als auch Stefan Rippler, die sich als Autoren zum Phänomen der Intrige hervorgetan haben. Mobbing geschieht eher aus dem Bauch heraus, bedingt eine direkte interaktive Beziehung und kann sich als offener Angriff äussern. Die Intrige hingegen ist häufig von langer Hand geplant, äussert sich viel subtiler und spielt sich im Hintergrund ab. Auch beschränkt sie sich nicht zwingend auf das direkte Arbeitsumfeld, wie das beim Mobbing der Fall ist. Sie geschieht auch über Abteilungen hinweg, hängt nicht von Hierarchien ab und kann sich ereignen, ohne dass sich Täter und Opfer jemals begegnen.
Die Fehleinschätzung führt dazu, dass Betroffene auf die subtilen Angriffe aus dem Hinterhalt weder vorbereit sind noch sich rechtzeitig wehren können. Stattdessen lassen sie wertvolle Zeit verstreichen, in der sie zum Gegenangriff übergehen könnten. Die aktive Rolle, die Rippler wie Michalik empfehlen, soll Betroffene davor bewahren, überhaupt ein Opfer zu werden. Auch ist sie eine Reaktion auf die Tatsache, dass Intrigen im Jobumfeld zugenommen haben. Regina Michalik, die als Mediatorin arbeitet, ist in ihrer Beratungstätigkeit immer häufiger mit Intrigen konfrontiert.
Das kann nicht losgelöst vom wirtschaftlichen Umfeld betrachtet werden. Ein unsicherer Arbeitsmarkt und ein hoher Konkurrenzdruck sind der Nährboden von Intrigen. Auch die Unternehmenskultur selber trägt einiges dazu bei. Intrigen gedeihen laut Stefan Rippler vor allem in jenen Firmen, in denen nicht klar ist, was die Kriterien für einen Aufstieg oder eine Gehaltserhöhung sind. Eine Umgebung, in der Mitarbeitende in vielem in Unklarem gelassen werden, fördert intrigantes Verhalten geradezu. Ein harmloses Gerücht, das gestreut wird, Beleidigungen, die bewusst fallengelassen werden – der Phantasie von Intriganten sind keine Grenzen gesetzt.
Unternehmen, bei denen Intrigen Tür und Tor offen stehen, nehmen unfreiwillig Produktivitätsverluste in Kauf. Denn kaum etwas belastet Arbeitnehmende mehr als soziale Konflikte am Arbeitsplatz, wie Untersuchungen immer wieder zeigen, so auch die neuste Stress-Studie des Staatssekretariates für die Wirtschaft auf dem Jahr 2010. 22 Prozent gaben an, innerhalb der letzten zwölf Monate einer sozialen Diskriminierung ausgesetzt gewesen zu sein.
„Das Entscheidende für die eigene Karriere ist, die Spiele zu durchschauen und zu verstehen“, so Rippler. Im Grunde genommen können Intriganten mit ihren eigenen Waffen geschlagen werden. Wer, sobald er auch nur den geringsten Verdacht schöpft, Zielscheibe einer Intrige zu werden, muss sich Verbündete sichern, muss vorausschauend denken und analytisch handeln – sich also nicht als Opfer sehen, sondern sich mit den Motiven der Intriganten auseinandersetzen. Ein Intrigant kommt selten allein, sondern kann sich auf eine kleine Gruppe von Helfern verlassen. Wer macht was, wann, und wie? Welche Systematik steckt dahinter? Sind sie frustriert, weil sie nicht befördert worden sind? Weil sie zu wenig verdienen? Weil sie nicht den gewünschten Erfolg in der Liebe haben? Geld, Macht und Liebe: das sind in der Regel die drei Themenkreise, um die sich Intrigen drehen.
Stefan Rippler empfiehlt als präventive Massnahme, wegzukommen von der Vorstellung, Menschen meinten es grundsätzlich gut mit einem. Es geht ihm nicht etwa um ein misanthropisches Weltbild, das in allem das Böse sieht, sondern um eine gesunde Portion Misstrauen anstatt Naivität im Umgang mit anderen. „Man sollte sich stets überlegen, wem man welche Information offenbart, und vor allem sollte man wissen, welche Konsequenzen das haben kann“, rät Stefan Rippler. Wie kann jemand die Information gegen mich verwenden?
Meister im Intrigieren wissen genau, wie sie freundlich wirken. Das gilt auch in Betrieben, die von sich behaupten, „sozial“ zu sein. „Gerade weil in einem solchem Umfeld so manche denken, alle Leute meinten es gut, erkennen Mitarbeitende nicht rechtzeitig, dass eine Intrige in Gang ist“, warnt Regina Michalik.
Zum Trost für alle, die schon einmal Opfer einer Intrige geworden sind: Die Hauptdrahtzieher überdecken mit ihrem Vorgehen vor allem ihre eigenen Defizite. Wer durch Leistung überzeugt und von der Firma entsprechend gewürdigt wird, wer seinen Job mit Herzblut ausübt und grundsätzlich ein zufriedenes Leben führt, denkt nicht einmal im Ansatz ans Intrigieren.