Die Frauenkonferenz. Die Ökonomieprofessorin Sita Mazumder über stereotype Rollenbilder. Geschlechter-Klischees sind ein Hindernis für mehr Frauen in Chefpositionen. Auch die Ökonomieprofessorin Sita Mazumder ist gelegentlich mit Vorur--teilen konfrontiert.
- von Manuela Specker -
Frau Mazumder, das Leitthema der diesjährigen Women’s Business Conference lautet «Paradigmenwechsel». Was die Rolle der Frau in der Arbeitswelt anbelangt, scheint ein Umdenken noch auszustehen. Es fällt allerdings auf, dass viele einstige Quotengegnerinnen – und -gegner – nun plötzlich für eine Frauenquote sind. Wie erklären Sie sich das?
Sita Mazumder: In der Tat finden wir diese Entwicklung quer durch die Altersklassen und Backgrounds. Sie ist Ausdruck davon, dass sich in den letzten Jahren in der Schweiz wenig getan hat. Wir wissen heute, dass mehr Heterogenität durch ein professionelles Diversity Management mehr Innovation bringt und deshalb letztlich auch ökonomische Vorteile. Fakt ist, dass sich trotz dieses Wissens kaum etwas an den Zahlen verändert hat. Ein Grund dafür, nebst vielen weiteren, liegt darin, dass neue Rollenmodelle in der Arbeitswelt auch tief in das Privatleben hineingreifen.
Sie selber haben zuerst Ingenieurwissenschaften studiert und dann als Wirtschaftswissenschafterin abgeschlossen. Liegt die Lösung darin, dass mehr Frauen ein karriereorientiertes Studium in Angriff nehmen?
Das ist ein möglicher Weg. Jedoch muss aus meiner Sicht schon im Kindesalter angesetzt werden, nicht erst bei der Studienwahl, denn die Gender-Stereotypen entwickeln sich früh. Es geht dabei nicht darum, dass Mädchen und Buben gleich sein müssen. Und es geht auch nicht nur um das weibliche Geschlecht. Um volle Wahlfreiheiten zu ermöglichen, sollen beispielsweise ebenso Buben und Männer sogenannt weiblichere Berufsrichtungen und Hobbys wählen können, ohne dafür Unverständnis zu ernten. Letztlich ist das Ziel, dass wir uns – egal ob Mann oder Frau – frei in unserem Leben respektive in unserer Lebensgemeinschaft einrichten können. Entscheidungen, was und wie wir arbeiten, wie wir uns in der Familie organisieren, sollen nicht etwa aufgrund von Rahmenbedingungen wie der erschwerten Vereinbarkeit von Familie und erfolgen, sondern aufgrund unserer Wünsche und Bedürfnisse. Das klingt möglicherweise nach einem massiven Paradigmawechsel, nach der idealen und heilen Welt, und es wird wohl auch nie vollständig so sein, aber wir sollten uns zumindest in diese Richtung entwickeln.
Sind Sie jemals an ein Hindernis geraten, weil Sie eine Frau sind?
Ich habe bisher keine direkten Hindernisse zu spüren bekommen, aber natürlich gibt es da und dort Bemerkungen wie «bisch halt ä Härzigi», wenn etwas gelungen ist – notabene von Männern wie von Frauen. Über die Zeit habe ich gelernt, das stärker an mir abprallen zu lassen. Aber natürlich gibt es Tage, wo das besser gelingt als an anderen.
Werden Sie gelegentlich auch unterschätzt?
Mit meiner wirbligen Art und meinem eher jugendlichen Äusseren entspreche ich natürlich ab und zu nicht den gängigen Vorstellungen, was auch zu einer «Schauen wir zuerst mal, was sie drauf-hat»-Haltung führen kann. Früher habe ich mich darüber oft genervt und hinterfragt, heute sehe ich das gelassener. Unterschätzt zu werden, kann ein Vorteil sein, wenn die Personen positiv überrascht werden. Ich bin überzeugt, dass sich für die Zukunft dieses schematische Denken noch mehr aufweichen wird und auch muss, denn es gibt zunehmend Menschen, die nicht mehr so klar eingeordnet werden können.
Wie gelingt es Ihnen, stereotype Vorstellungen aufzuweichen?
Indem ich authentisch und bodenständig bin und mich nicht einfach einfüge, wie es von mir erwartet wird, wenn ich nicht dahinterstehen kann.
Ihre Karriere ist steil verlaufen. Da fragen sich manche, ob sie solchen Ansprüchen gerecht werden.
Mein Leben ist auch nicht immer geradlinig verlaufen. Wenn ich vorgestellt werde, beispielsweise bei Referaten oder Porträts, wird vor allem eine Seite wiedergegeben: die erfolgreiche und starke. Heisst das, dass jeder Tag so ist? Natürlich nicht. Klar, ich bin sehr effizient, tipptopp organisiert und habe einige Fähigkeiten und Fertigkeiten, auf die ich mich verlassen kann. Aber ich habe auch meine anderen Tage, an denen es gar nicht wie geplant läuft, und die gehören ebenso dazu. Ich finde es wichtig, dass beide Seiten gezeigt werden, weil das Teil jedes menschlichen Lebens und Arbeitens ist.