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Mütter zurück in den Beruf

Veröffentlicht am 12.07.2015
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Internet-Plattform „Jobs für Mama“: Gefragt sind bei Wiedereinsteigerinnen vor allem 60-Prozent-Pensen
Die Wirtschaft braucht gut qualifizierte Mütter, lautet die Forderung angesichts des Fachkräftemangels. Aber der Wiedereinstieg scheitert oft an Vorurteilen und fehlenden Teilzeitstellen. Eine spezielle Internet-Plattform will das jetzt ändern.
 
Von Vera Sohmer

Betriebswirtschaftlerin Nanette Steiner arbeitete zuletzt im Fachkader eines Grosskonzerns und verantwortete eine Produktegruppe. Als sie das erste Mal schwanger wurde, sagte sie ihrem Vorgesetzten umgehend, sie wolle nach der Geburt gerne weiterarbeiten, aber mit einem reduzierten Pensum. Undenkbar, lautete die Antwort. Der Job erfordere viele Reisen, hohe Präsenzzeiten, unter 100-Prozent gehe gar nichts. Für Nanette Steiner war dies aber keine Option. Sie kündigte gezwungenermassen. Nach rund einem Jahr fing sie an, sich zu bewerben. Aber was sie suchte – eine ihrer Qualifikation entsprechende Teilzeitstelle – gab es nicht. Sie hielt nach Jobs Ausschau, für die sie überqualifiziert war. Hauptsache, wieder Fuss fassen auf dem Arbeitsmarkt, war ihr Motto. Im letzten Moment aber sagte sie sich: „Nein, verkaufe dich nicht unter Wert.“
 
Die heute zweifache Mutter zog die Konsequenzen und machte sich selbständig. Sie gründete mit ihrer Geschäftspartnerin Jill Altenburger die Plattform www.jobsfuermama.ch. Im Wissen darum, dass viele Mütter ähnliche Erfahrungen machen. Und mit dem Ziel, gut ausgebildeten Frauen Teilzeitstellen, Projekt- sowie Homeoffice-Jobs zu vermitteln. Nach Angaben der Initiatorinnen läuft die Plattform gut: Sie hat inzwischen mehr als 6000 Nutzerinnen. Die meisten von ihnen suchen 60-Prozent-Stellen. Und werden inzwischen durchaus fündig, wie einzelne Feedbacks bestätigen. Egal, ob sie wieder als Rechtsanwältin, Naturwissenschaftlerin oder als Marketingleiterin arbeiten wollen.
 
Das Potenzial aber ist nicht ausgeschöpft: 50 000 Hausfrauen mit abgeschlossenem Studium oder höherer Berufsausbildung gab es 2013 in der Schweiz, wie die Zahlen aus der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (Sake) zeigen. Nicht nur eine Verschwendung von Ressourcen, auch ein «miserabler Return on Investment», betonte Economiesuisse-Chefökonom Rudolf Minsch in Interviews. Rund 5,75 Milliarden Franken wurden in die Hochschulausbildung von Frauen investiert, die nicht in ihrem Beruf arbeiten. Das sei vergeudetes Geld und Know-how. Denn was hier mitgebracht wird an Wissen und Kreativität, nützt der Wirtschaft nichts. Der Wiedereinstieg in die Arbeitswelt muss deshalb stärker gefördert werden, so das Credo. Das noch einmal lauter wurde durch den gravierenden Fachkräftemangel in vielen Branchen.
 
Das ist gut und richtig, finden die Initiatorinnen der Job-Plattform. Aber nach wie vor fehlten Teilzeitangebote und flexible Arbeitsmodelle, würden Mütter bei Bewerbungen mit Vorurteilen konfrontiert. Da kann ein Vorstellungsgespräch gut verlaufen – kommt das Thema Familie auf den Tisch, werden schnell Klischees der dauergestressten Frau bemüht. Wird angezweifelt, ob die Doppelbelastung Beruf und Familie zu meistern sei, wird Bewerberinnen zu verstehen gegeben: Wenn das Kind nur einen Schnupfen hat, sind Mütter im Job doch nicht mehr bei der Sache oder fallen gleich ganz aus. In vielen Unternehmen würden Mitarbeiterinnen mit Kindern als Risiko eingestuft. Es hat sich noch nicht herumgesprochen, dass diese laut diverser Studien besonders motiviert und effizient arbeiten.
 
Und oft wissen Wiedereinsteigerinnen selbst nicht, was sie alles zu bieten haben, sagt Nanette Steiner. Sie hätten im Gegenteil das Gefühl, sich für ihre Familienzeit fast entschuldigen zu müssen. Dabei haben sie sich neue Kompetenzen erworben, die in der Arbeitswelt gefragt sind. Sie können sich organisieren und Verantwortung übernehmen, schnell auf Situationen reagieren, sind krisenerprobt. Sie führen daheim ein Kleinunternehmen, haben gelernt, mit Stress und Druck umzugehen. Und allen Grund, selbstbewusst aufzutreten und bestimmt zu argumentieren: „Ich habe mich bewusst für den Wiedereinstieg entschieden, und weiss, dass ich den Anforderungen gewachsen bin.“
Die Jobs-für Mama-Gründerin empfiehlt darüber hinaus: Nicht nur Flexibilität erwarten, sondern diese selbst unter Beweis stellen. Denn vom Teilzeitpensum hat manche Wiedereinsteigerin falsche Vorstellung: nur von Montag bis Mittwoch, nur zwischen 9 und 17 Uhr. Dabei sei das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Man müsse auch mal Überstunden leisten und wenn es sein muss, eine dringende Aufgabe abends daheim erledigen.