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Praktikum als Chance

Veröffentlicht am 22.05.2016
Praktikum als Chance
Wie der Berufsteinstieg für beide Seite gelingt   Praktika sind wenig prestigeträchtig, junge Menschen kommen sich manchmal wie billige Hilfskräfte vor. Dabei würden auch die Unternehmen von einer fairen Betreuung profitieren.    Von Manuela Specker
Das Praktikum hat keinen besonders guten Ruf. Noch immer hallt die Vorstellung von der “Generation Praktikum” nach. Damit sind junge Menschen gemeint, die sich von Praktikum zu Praktikum hangeln, keine Festanstellung finden und sich so – gut ausgebildet – von den Unternehmen ausnutzen lassen. Das kommt zweifellos vor, war in der Schweiz aber nie so ausgeprägt wie in Deutschland, wo der Begriff kreiert wurde. Eine Untersuchung des Bundesamtes für Statistik zeigte, dass nur 13 Prozent der Masterabsolventen ein Jahr später noch in einem Praktikum stecken.
 
Trotzdem liegt einiges im Argen, denn noch immer verkennen Unternehmen den Sinn von Praktika: junge Menschen sollen sich das notwendige Praxiswissen aneignen, um eine Festanstellung zu erhalten und die eigenen Interessen weiter ausloten zu können. Die Verführung ist allerdings gross, die jungen Arbeitskräfte genau für jene Aufgaben einzusetzen, die sonst niemand machen möchte. Wer aber nach einem Studium vor allem Akten archivieren, Adressen abtippen, Kaffee zubereiten und Botengänger spielen muss, lernt nichts dazu. Problematisch ist auch das Gegenteil. Gerade in Unternehmen, in denen die Personaldecke knapp ist, kann es vorkommen, dass Praktikanten völlig überfordert werden und als billige und willige Arbeitskräfte dienen. 
 
Dabei würde sich ein korrekter Umgang mit den Praktikanten auch für die Unternehmen lohnen, und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht: Sie bilden sich mit dem Nachwuchs einen eigenen Rekrutierungspool und investieren in ihre Marke als Arbeitgeber. Denn es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass die jungen Leute ihre ersten Erfahrungen in der Arbeitswelt nicht für sich behalten.
 
Wie also gestaltet sich ein nachhaltiger Umgang mit Praktikanten? Dafür ist es wichtig zu wissen, was überhaupt ihre Bedürfnisse sind. Dieser Frage ist die Personalberatung Clevis in den letzten sechs Jahren nachgegangen. Sie befragte tausende von Praktikanten, die zwischen 23 und 25 Jahre alt sind. Am meisten Bedeutung haben für sie die vermittelten Inhalte nebst Faktoren wie dem Arbeitsklima, der Arbeitszeit und den Arbeitsbedingungen – der Lohn ist in dieser Phase noch sekundär.  
 
Praktikanten sollten also nicht planlos eingesetzt werden, sondern die Gelegenheit erhalten, in verschiedene Tätigkeitsbereiche zu blicken, dabei immer auch qualifizierte Arbeit zu erledigen und adäquat betreut zu werden. Ein gutes Praktikum orientiert sich an Lernzielen und ist zumindest in grösseren Firmen Teil eines offiziellen Ausbildungsprogrammes. Denn nur dann ist überhaupt ein Praktikantenstatus mit geringerer Bezahlung gerechtfertigt. Das Praktikum sollte zudem keinesfalls länger als ein Jahr dauern.   
 
In dieser Hinsicht müssen sich auch die jungen Menschen an der Nase nehmen: Aus Angst, den Einstieg zu verpassen und lange arbeitslos zu sein, sind sie oft gewillt, ein Praktikum ans nächste zu reihen – und lassen sich so freiwillig von den Firmen ausnutzen anstatt selbstbewusst einen normalen Berufseinstieg anzupeilen. Vor allem Studierende, deren Ausbildung sie nicht auf einen konkreten Beruf hin vorbereitet, müssen aufpassen, nicht in die Praktikumsfalle zu tappen. Idealerweise absolvieren sie bereits während des Studiums Praktika, die ihnen nicht nur Wegweiser sind in der weiteren beruflichen Orientierung, sondern auch qualifizierte Arbeitsinhalte umfassen. Wer eine Lehre gemacht hat, sollte ein Praktikum gar nicht erst in Betracht ziehen – die notwenige Berufspraxis wurde ja bereits während der Ausbildung gesammelt.
 
Tendenziell sollten sich die Berufsneulinge davor hüten, eine passive Haltung an den Tag zu legen und im Opferstatus zu verharren. Wer also im Büro unterbeschäftigt ist, sollte aktiv werden anstatt Däumchen zu drehen. Das ist nämlich auch eine grosse Chance, indem sich Praktikanten dort einbringen können, wo ihre grössten Interessen liegen. Dafür müssen sie die falsche Scheu ablegen, aktiv auf bestehende Mitarbeitende zugehen und überlegen, wie sie sich nützlich machen können. Mit dieser Eigeninitiative empfehlen sich Praktikanten zugleich für den nächsten Schritt, die Festanstellung. Denn genau das ist der Sinn eines Praktikums, das im Idealfall auch adäquat bezahlt ist. Der Kaufmännische Verband Schweiz empfiehlt beispielsweise bei einem Praktikum nach dem Bachelor-Abschluss einen Mindestlohn von 2500 Franken. Laut dem Bundesamt für Statistik (BfS) erhält ein Praktikant mit einem Fachhochschulabschluss im Schnitt 3'500 Franken im Monat.