Was kann eine Firma im Online-Zeit alter tun, um für Arbeitnehmende attraktiver zu werden?
Matthias Adrion: Unternehmen, die ihre Zielgruppe erreichen wollen, können heute aus einer unüberschaubar hohen Zahl an Kanälen wählen. Das ist Segen und Fluch zugleich. Fast wöchentlich tauchen neue Plattformen auf, die für das Personalmarketing nutzbar sind. Die grosse Herausforderung besteht deshalb darin, zu wissen, welche Kanäle ich überhaupt bespielen muss.
Es ist demnach nicht sinnvoll, überall mitzumischen?
Diese Versuchung ist natürlich da, doch schon aus Budgetgründen wird man
seine Ressourcen in der Regel einteilen müssen. Ich beobachte aber ohnehin
oft auch das Gegenteil: Unternehmen, die nicht einmal über eine informa-
tive Karriere-Website oder ansprechende Stellenanzeigen verfügen. Wenn diese Basics nicht da sind, nützt die schöns-
te Online- und Social-Media-Strategie nichts.
Wie unterscheiden sich KMU und grosse Firmen, was das Employer Branding anbelangt, also die Pflege der Arbeitgebermarke?
KMU müssen im Gegensatz zu den Grosskonzernen häufig bei null anfangen und mit viel weniger Ressourcen auskommen, sowohl personell als auch finanziell. Zudem müssen KMU nach wie vor gegen gewisse Vorurteile ankämpfen. Zum Beispiel, dass sie schlechter bezahlen, dass die Aufstiegschancen klein sind oder dass es an der Jobsicherheit mangelt. Dabei spricht vieles für KMU als Arbeitgeber.
Zum Beispiel?
Es fällt auf, dass Jobkandidaten viel häufiger von einem Grossunternehmen in ein KMU wechseln als andersherum. Das sagt viel über die Attraktivität der entsprechenden Arbeitsumfelder aus. Bei KMU haben Arbeitnehmer zum Beispiel oft einen ganz anderen Handlungsspielraum, einfach weil die Nähe zu den Kunden, zum Produkt oder auch zur Geschäftsleitung grösser ist. Auch der häufig gehörte Spruch, KMU sei gleichbedeutend mit «Karriere machen unmöglich», gilt längst nicht für alle kleineren Firmen.
Wie lange dauert es, bis sich ein Unternehmen einen bestimmten Ruf als Arbeitgeber erarbeitet hat?
Das ist in der Regel ein langwieriger Prozess. Wobei ich da auch mit wenig Budget viel erreichen kann. Zuerst einmal muss klar sein, was das Unternehmen ausmacht, wer die Zielgruppen sind und mit welchen Botschaften man diese Zielgruppen erreicht. Es braucht also zwingend ein Selbstverständnis als Arbeitgeber – und ein solides Konzept, was mit welchen Mitteln erzielt werden soll.
Was bringt denn Employer Branding in Zeiten, wo Jobkandidaten alle möglichen Informationsquellen zur Verfügung haben und auf eigene Faust mehr über eine Firma erfahren können?
Einflussmöglichkeiten sind für Arbeitgeber auch in der Sphäre der sozialen Medien vorhanden. Nehmen wir das Job-Bewertungsportal Kununu: Arbeitnehmer können dort nicht nur Arbeitgeber bewerten, sondern Arbeitgeber können im Gegenzug auch aktiv auf die Nutzer zugehen oder etwa auf Bewertungen reagieren. Es liegt im Interesse jedes Unternehmens, hier den Dialog aufzunehmen.
Marketing ist das eine, aber letztlich zählt immer noch, was im Arbeitsalltag tatsächlich gelebt wird.
Das ist so. Jedes Markenversprechen bleibt hohl, wenn es nicht nach innen gelebt wird. Das Pflegen der Arbeitgebermarke nach aussen sollte immer der zweite Schritt sein. Das heisst, jedes Unternehmen muss zuerst schauen, wie es intern aufgestellt ist. Wird ein Umfeld geboten, mit dem sich die Arbeitnehmenden identifizieren können und in dem sie gerne arbeiten? Am Anfang eines jeden Markenaufbaus steht die Mitarbeiterbindung. Dann erst stellt sich die Frage, wie das Unternehmen seine entsprechenden Botschaften nach aussen trägt. Andernfalls wirke ich als Arbeitgeber schnell einmal unglaubwürdig.
Die Mund-zu-Mund-Propaganda hat also nach wie vor eine grosse Bedeutung?
Absolut. Wenn ich es schaffe, meine Mitarbeiter zu den viel zitierten Markenbotschaftern zu machen, sie vielleicht sogar über Empfehlungsprogramme und vergleichbare Angebote in das Recruiting einzubeziehen, habe ich schon
einen guten Teil des Weges zur Arbeitgebermarke hinter mir.
Es mehren sich Stimmen, die den Fachkräftemangel für einen Mythos halten. Was ist denn dran an dieser Behauptung?
Der Fachkräftemangel ist in der Tat eine beliebte Ausrede, wenn Stellen aufgrund von Defiziten in der Rekrutierung nicht besetzt werden können. Trotzdem würde ich nicht von Mythos sprechen. Was hilft es mir als Arbeitgeber, wenn es pauschal betrachtet zwar ausreichend Fachkräfte gibt, aber die entsprechenden Kandidaten sitzen vielleicht in anderen Kantonen, verfügen nicht über eine erforderliche Spezialkenntnis oder sind schlicht nicht wechselbereit? Auf der Ebene des einzelnen Unternehmens wird es in bestimmten Bereichen immer einen Fachkräftemangel geben. Da ist eine gesunde Arbeitgebermarke langfristig nicht das schlechteste Gegenmittel.
* Matthias Adrion leitet den Bereich
Employer Branding bei der Unternehmensberatung Dr. Schmidt & Partner GmbH
in Kastanienbaum LU.