Wer sich im Job unterfordert fühlt, sollte rechtzeitig Gegensteuer geben. Denn das Nichtstun rächt sich früher oder später.
Von Manuela Specker
Ist wieder ein Tag vergangen, an dem das schale Gefühl zurückbleibt, am Arbeitsplatz nichts geleistet zu haben? Gehört die Kaffeepause zu den aufregenden Momenten, und wird das Mittagessen mit den Kollegen als Kontrapunkt zur sonst öden Routine geradezu herbeigesehnt? Dann herrscht Alarmstufe Rot: Unterforderung am Arbeitsplatz ist genauso schlimm wie Überforderung. Nur macht sich das erst viel später bemerkbar.
Denn am Anfang mag es durchaus reizvoll sein, sich ein bisschen durch den Arbeitstag zu hangeln, hier und dort einen Schwatz abzuhalten und stressfrei ins Wochenende zu gehen. Doch irgendwann wird die Langweile zur Belastung – und die Betroffenen stehen vor dem Dilemma, wie sie das jetzt ihren Vorgesetzten beibringen, ohne den eigenen Arbeitsplatz zu gefährden. So müssen sie unweigerlich damit rechnen, als faul abgestempelt zu werden, schliesslich haben sie unendlich viel Zeit im Job vertrödelt, ohne Gegensteuer zu geben.
Natürlich kann dieser Vorwurf zutreffen. Wer das süsse Nichtstun am Arbeitsplatz tatsächlich geniesst, entwickelt alle möglichen Strategien, um den Eindruck zu erwecken, schwer beschäftigt zu sein. In Berufen, in denen die Resultate nicht direkt messbar sind, bleibt diese Arbeitseinstellung erstaunlich lange unbemerkt. Dem vielschichtigen Phänomen der Langweile am Arbeitsplatz wird aber nicht gerecht, wer die Schuld einseitig beim Mitarbeitenden sucht und dies als „Krankheit der Faulen“ abkanzelt.
Es ist nämlich kein Zufall, dass sich dafür der Begriff „Boreout“ durchgesetzt hat, ein Mix aus dem englischen Begriff „Boredom“, der für Langweile steht, und „Burnout.“ Wer in seiner Arbeit keinen Sinn sieht und die Zeit totschlagen muss, kann abends so erschöpft sein, dass jegliche Energie für andere Aktivitäten fehlt – bis hin zu depressiven Verstimmungen. Das zeigen auch die zahlreichen Reaktionen, welche die Online-Redaktion von „derStandard.at“ auf den Aufruf erhielt, über die eigenen Erfahrungen mit „Boreout“ zu berichten. „An Tagen, an denen ich viel zu tun habe, gehe ich munter und erholt heim. An Tagen, an denen ich acht Stunden Däumchen drehe, bin ich abends völlig erschöpft vom Nichtstun. Das mag zwar paradox klingen, aber es ist eine irre mentale Belastung, wenn man immer das Gefühl hat, man ist unnütz und kann nichts Bedeutendes leisten", bringt es eine Userin auf den Punkt.
Gerade jene, die sich unfreiwillig im Job langweilen, weil sie zum Beispiel degradiert worden sind oder weil die Aufgaben im Team so ungleich verteilt sind, berichten von schwindendem Selbstvertrauen, zunehmenden Selbstzweifeln und von Erschöpfungssymptomen. Den ganzen Tag im Büro den Anschein zu wahren, beschäftigt zu sein und sogar Überstunden vorzutäuschen, um den eigenen Job nicht zu gefährden, ist nämlich sehr anstrengend – aber eben ohne das Gefühl, etwas geleistet zu haben. Nicht umsonst zählt eine Arbeit, die Menschen Erfolgserlebnisse bietet, zu den wichtigsten Faktoren für ein zufriedenes Leben.
Eigentlich gehörte es zu den Kernaufgaben eines jeden Vorgesetzten, rechtzeitig etwas zu unternehmen, wenn jemand unterfordert ist oder die Arbeit ungleich verteilt ist. Nur sind sie manchmal selber Teil des Problems: Nämlich dann, wenn sie alle interessanten Aufgaben an sich reissen und Mitarbeitenden das überlassen, was niemand machen will. Vor allem jüngere Mitarbeitende kennen das Problem, dass die langweilige Arbeit immer an ihnen hängenbleibt. In Deutschland beispielsweise fühlen sich 60 Prozent der bis 30-jährigen Arbeitnehmer unterfordert und könnten bedeutend mehr leisten, wie Untersuchungen des Bundesarbeitsministeriums zu Tage förderten.
Wer sich im Job langweilt, sollte selber etwas dagegen unternehmen. Warum sich nicht um eine Weiterbildung bemühen, in anderen Abteilungen nach Arbeit fragen oder den Vorgesetzten vorschlagen, wie der eigene Tätigkeitsbereich erweitert werden könnte? Hilft alles nichts, kommt wohl nur ein Stellenwechsel in Frage. Auf jeden Fall sollte man nicht zuviel Zeit verstreichen lassen, um gegen die Unterforderung anzukämpfen. Denn die Erfahrungen zeigen: Irgendwann nagt die Unterforderung so stark am Selbstvertrauen, dass die Betroffenen sich gar keine neuen Aufgaben mehr zutrauen.
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