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Generation Nonsense

Veröffentlicht am 13.11.2016
Generation Nonsense
Weshalb sich Firmen von Konstrukten wie der “Generation Y” verabschieden sollten – und was das für Führungskräfte bedeutet.   Von Manuela Specker
Dicke Lohntüten, Status und Prestige sind ihnen fremd. Stattdessen suchen sie Sinn in der Arbeit und legen Wert auf eine Work-Life-Balance: So ungefähr erzählt sich das Märchen von der Generation Y. Dabei hat das eigene Karriereverhalten wenig mit dem tatsächlichen Alter zu tun, sondern mit der Herkunft, dem gewählten Studium, dem tatsächlichen Berufsziel und den eigenen Wertvorstellungen. Anstatt die Mitarbeitenden in Altersgruppen einzuteilen, macht es viel mehr Sinn, die verschiedenen Wertewelten wie Sicherheit, Wertschätzung oder Leistung anzuschauen. Zu diesem Schluss kommt die aktuelle Untersuchung „Wertewelten Arbeiten 4.0“ des deutschen Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
 
Die Interviews mit Beschäftigten aus allen Altersgruppen zeigten, dass die Homogenität, welche Konstrukte wie „Generation Y“ vorgaukeln, nicht existiert:  Die Werte- und Wunschvorstellungen von guter Arbeit lassen sich keineswegs bestimmten Altersgruppen zuordnen. Doch nach wie vor versuchen Personalverantwortliche, den spezifischen Ansprüchen einer bestimmten Altersgruppe gerecht zu werden. Peer-Oliver Villwock vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales fordert daher ein Umdenken in der Personalführung: „ Egal ob Frau oder Mann, ob jung oder alt, überall findet sich eine grosse Vielfalt an Bedürfnissen", so Villwock.  „Die Arbeitswelt ist einfach komplexer und schnelllebiger, die Vorstellungen von guter Arbeit sind vielfältiger.“
 
Führungskräften ist also empfohlen, nicht in Generationen zu denken und schon gar nicht den Führungsstil danach auszurichten. „Die Studie zeigt, dass diese Bemühungen zum Scheitern verurteilt sind“, sagt Villwock. Gefragt ist vielmehr ein individueller, situativer Führungsstil: Vorgesetzte sollten flexibel auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden reagieren können, deren unterschiedlichen Wertevorstellungen anerkennen anstatt die eigene Sichtweise  aufzudrücken oder gar die Hierarchien nach dem Motto „Ich Chef, du Angestellter“ spielen zu lassen.
 
Nach wie vor gross ist das Bedürfnis nach Sicherheit, wie die eingangs erwähnte Umfrage ausmachte. Dieser Wert kommt mit 30 Prozent Zustimmenden weit vor dem Wunsch nach Selbstverwirklichung (10 Prozent). Auch die repräsentative Umfrage des Personalunternehmens Orizon unter mehr als 2000 Arbeitnehmenden bestätigt, dass sich jene Mitarbeitenden, die der Generation Y zugerechnet werden,  von ihren Arbeitgebern genauso Jobsicherheit und eine leistungsgerechte Bezahlung wünschen. Sicherheit und Status anstatt Selbstbestimmung und Freiheit: Diese traditionellen Werte haben keinesfalls an Bedeutung verloren.
 
Anstatt vorschnell das Verhalten der Mitarbeitenden auf eine wie auch immer geartete Generation zurückzuführen, sollte die künstlich herbei geführte Unterteilung vielmehr als Marketingtool betrachtet werden: Der Begriff „Generation Y“ stammt aus dem Englischen, wobei das„Y“ im Englischen wie „Why“ ausgesprochen wird – und schon konnte sie kreiert werden, die Generation, die alles hinterfragt (Why?) anstatt herkömmliche Karrieremuster zu übernehmen. Dabei müsste die Vorstellung einer Generation Y nur schon deshalb misstrauisch machen, weil nicht einmal Einigkeit darüber besteht, welche Jahrgänge da überhaupt reingehören: Mal sind es die zwischen 1971 und 1997 geborenen, dann wieder gelten nur jene als „Ypsiloner“, die ab 1980 auf die Welt kamen.
 
Der Soziologe Marcel Schütz weist in der “Zeit” dezent darauf hin, dass sich Personalberater und Coaches als selbsternannte Generation-Y-Experten inszenieren können. “Das Geschäft läuft gut, denn man erfindet schon die nächsten Generationenkonzepte.” Das wäre dann die Generation Z. Über ihre Vertreter heisst es, sie seien noch stärker auf ihre eigenen Ziele fokussiert und keine Teamplayer. Unternehmen sind gut beraten, nicht wieder in die gleiche Falle zu tappen: „Sie sollten sich bezüglich der Generationenkonstrukte nicht verrückt machen lassen und sich stattdessen auf präzise Fragen zum Thema wie zum Beispiel die Folgen der Digitalisierung konzentrieren“, so der Soziologe Schütz. Dann gehe es primär um Fähigkeiten und nicht um die x-te Neuerfindung der Gesellschaft.

Bildquelle: Thinkstock