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Lernen von Start-ups

Veröffentlicht am 19.02.2017
Lernen von Start-ups
Viele traditionelle Firmen haben im Gegensatz zu Start-ups Mühe, sich konsequent an den Bedürfnissen der Kunden zu orientieren. Verkrustete Strukturen sind allzu oft ein Hindernis.   Von Jan Evers*
Was wir gerade erleben, ist eine digitale Revolution, in der nicht nur traditionellen Unternehmen, sondern ganzen Geschäftsfeldern der Kollaps droht. Wendige, schnell wachsende Start-ups treten an, die alten Kolosse zu zerreissen. „Disruption“ heisst die Beseitigung sturmerprobter Geschäftsmodelle durch radikale neue Ideen.         
 
Die Unterstützer dieses Wandels sind moderne Geldgeber, die schnelles Wachstum üppig finanzieren und zuerst auf die Idee und den Spirit schauen, statt engstirnig auf die Finanzen. Klassische Unternehmer stossen bei ihren Banken schnell auf Bedenkenträger, die Geld zum Engpass machen. Wo das geschieht, helfen nur noch Ideen.
 
Was ist da verlockender, als einfach abzukupfern, was die neuen Stars vormachen? Leider ist da nicht alles, was hip ist, auch mehr als ein Hype. Wo viel Feuer ist, ist auch viel heisse Luft, und manch einer, der für etwas brennt, verbrennt am Ende nur Geld. Was aber sind die Tops und Flops der Start-ups? Was lohnt die Nachahmung und was nicht? Was lässt sich auf eine grössere Organisation übertragen und was überfordert Strukturen und Menschen?
 
Verteilte Führung ohne Hierarchie ist oft eine Illusion. Nur wenige Start-ups setzen wirklich auf Basisdemokratie. Dass sie keine häuptlingfreien Naturvölker sind, bleibt in ihrer äusserlich informellen, fachlich und sozial geprägten Kultur oft unsichtbar. Wer das Sagen hat, wird immer dann klar, wenn es ans Eingemachte geht. Und das ist nicht nur das Geld, sondern auch die Idee, die keine Verwässerung erlaubt.
 
Wo sich Traditionsunternehmen erstaunlicherweise schwertun, ist die absolute Orientierung am Kunden und die dazu passende Gestaltung aller Aktivitäten, Prozesse und Strukturen. Hier haben es die frischen Gründer einfacher, weil sie noch nicht verkrustet sind. Sie setzen komplett neu auf, und was an Erfahrung fehlt, machen sie durch agiles Lernen im Prozess wieder wett.
 
Die Platzhirsche hingegen geben dem Kunden nur, was ihr finanzieller und organisatorischer Status quo erlaubt. Start-ups fragen umgekehrt zuerst, was der Käufer will und lassen die Produktidee bestimmen, wie das Unternehmen funktioniert. Diese Konsequenz treibt die Disruption – die sprunghafte Veränderung von Marktgesetzen durch radikale Neulösungen. Dafür reichen die digitalen Fortschritte allein nicht. Man muss sie regelbrechend auch gegen alle Widerstände durchpauken wollen. 
 
Ebenso definiert das Kundenziel die Aufgabenverteilung. Stellen und Rollen werden nie nach Verdiensten, Beliebtheit oder informeller Vernetzung vergeben. Vertrauen ersetzt traditionelle Kontrollkultur: Wir geben dir das Ziel – du bestimmst, wie du es zeitgerecht erreichst. Wo in älteren Unternehmen Experten ihr Wissen in Silos horten, teuer intern vermarkten und damit pokern, setzen die neuen Player auf Coopetition. Sie verbinden die Kraft des Wettbewerbs mit fruchtbarer Kooperation. Man wetteifert ums Bessersein, ohne egoistisch das Wohl des Ganzen auszuhebeln.
 
Mut ist eine weitere Start-up-Qualität. Statt Vorbehalten nachzugeben, probieren sie clever aus und riskieren Fehlschläge, um daraus zu lernen. Wo andere zwanghaft Perfektion ergrübeln und kleine Würfe landen, bauen sie das grosse Ding durch frühe Prototypen, die durch Live-Tests und Feedback verbessert werden.
 
Fokus und Schnelligkeit prägen auch die effiziente Kommunikation. Recht hat, wer Ahnung hat – selbst wenn der Chef im Meeting sitzt. Für mehr Innovation setzen Start-ups auf Tools, die Ideenschmiede und Kalkulation intelligent verbinden. Im Design Thinking formulieren sie „Personas“ – möglichst konkrete, echte Kundenprofile mit Namen, statt auf repräsentative Durchschnittszahlenmassen zu setzen. So erforschen sie reale Kundenprobleme und erproben die Lösungen bereits im Frühstadium. Das Business-Model-Canvas analysiert dazu das Geschäftsmodell und nutzt digitale Post-its, um im Team agil darüber diskutieren und es anpassen zu können. Der digitale Smartbusinessplan, den jeden Monat 200 neue Unternehmen einsetzen, kombiniert Ideenarbeit und Finanzplanung. Diese und andere digitale Helfer stützen den Prozess, hart am Kundenwunsch zu entwickeln. Schon bald werden diese Tools zu einem durchgängigen Prozess verbunden sein.
 
Natürlich ist das radikal, wenn man sein Unternehmen viele Jahre erfolgreich führt. KMU tun sich noch schwer. Konzerne kaufen den Change einfach ein und fördern oder gründen agile Partner, die ihnen eigenständig Lösungen zutragen. Das klappt zwar wegen Kulturunterschieden meist organisationssoziologisch nicht, klingt aber schön innovativ. KMU müssen selbst das Beste aus ihren tiefen Erfahrungen und der neuen Welt verbinden. Das mag schwieriger klingen, ist aber nachhaltiger. 
 
 
*Der Wirtschaftswissenschaftler und Unternehmer Jan Evers (evers & jung) ist auf Gründungspolitik und KMU-Förderung spezialisiert. Er will insbesondere einen weitgehend digitalisierten Prozess zur Finanzierungsunterstützung etablieren. www.eversjung.de, www.smartbusinessplan.de


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