Auch der Faktor Zeit ist entscheidend für das berufliche Weiterkommen – stärker und anders, als wir bisher meinten.
Der Amazon-Chef Jeff Bezos führt wichtige Meetings grundsätzlich nur am Morgen zwischen 10 und 12 Uhr durch. „Besprechungen, die mich geistig fordern, setze ich immer vor dem Mittagessen an“, meinte er kürzlich auf einem Panel. Alles, was wirklich wichtig sei und seine volle mentale Aufmerksamkeit benötige, lege er auf einen 10-Uhr-Termin. Daran hält er sich eisern. Um 17 Uhr kann er nach eigenen Angaben nicht mehr richtig nachdenken. Was auch immer es zu entscheiden gibt, es muss bis am nächsten Morgen warten.
Was wie ein Spleen eines ausgesprochen erfolgreichen Managers klingt, hat in Tat und Wahrheit gute Gründe. Jeder von uns durchläuft an einem Tag verschiedene Hochs und Tiefs. Das ist nicht eine Frage der Laune, sondern der Chronobiologie. Die innere Uhr, die den Stoffwechsel und den Schlaf-Wach-Rhythmus steuert, lässt sich nämlich nicht austricksen. Manche kriegen das sogar bei der Zeitumstellung zu spüren, obwohl sich die Uhrzeit nur um eine Stunde verschiebt.
Es ist die eigene innere biologische Uhr, die festlegt, zu welcher Zeit man am leistungsfähigsten ist und wann man sich am liebsten schlafen legen möchte. Das Mittagstief dürfte so ziemlich jedem bekannt sein. Deshalb eignet sich die Zeit nach dem Mittag besonders schlecht für wichtige Besprechungen. Wer sich ein Lohn- oder Beförderungsgespräch mit dem Vorgesetzten vorgenommen hat, sollte auch dessen Rhythmus ungefähr kennen und das entsprechend bei der Terminplanung berücksichtigen. Zu wissen, wie man selber oder wie der Vorgesetzte tickt, kriegt nun plötzlich eine ganz andere, wörtlich zu nehmende Bedeutung: Die Uhrzeit spielt für das Wirken im Berufsleben eine grosse Rolle - und kann sogar entscheidend sein für das berufliche Weiterkommen.
Chronobiologen empfehlen schon lange, die Arbeitszeiten mehr nach dem eigenen Biorhythmus statt nach rein technischen oder wirtschaftlichen Erfordernissen zu richten, sofern dies der jeweilige Job zulässt. Dass also Frühaufsteher tatsächlich früh zu Werke gehen und Spätaufsteher auch erst um 10 Uhr in den Arbeitstag starten können. „Für einen Spättypen ist sieben Uhr morgens mitten in der biologischen Nacht, wenn das Melatonin am höchsten ist und der Körper nicht arbeiten sollte“, erläutert der Chronobiologie Christian Cajochen von den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel in einem Interview mit der NZZ.
In einer Zeit, in der das Pendel eher in Richtung permanente Verfügbarkeit schlägt, wirkt die Empfehlung, mehr auf den Rhythmus der eigenen inneren Uhr zu achten, schon fast wie ein Witz. Und doch ist die Beweislast erdrückend: Wer nach seinem eigenen Biorhythmus arbeiten kann und natürlich auch genügend schläft, ist leistungsfähiger, motivierter und entspannter. Die innere Uhr sollte im Sinne der eigenen Gesundheit schon bei der Berufswahl berücksichtigt werden. Nachteulen sind also im Beruf des Bäckers, der Bäckerin, eher schlecht aufgehoben. Auch Schichtpläne sollten auf die chronobiologisch bedingten Präferenzen Rücksicht nehmen – im Sinne der Gesundheit der Mitarbeitenden und einer höheren Produktivität. Aus einer Nachteule wird selten eine Lerche.
Einzig das Alter sorgt für gewisse Verschiebungen: Je älter jemand ist, desto eher mag er früh aufstehen und ist er weniger nachtaktiv. Jugendliche kommen tendenziell erst später am Morgen in die Gänge – das steht im krassen Widerspruch zum frühen Schulbeginn. Laut Till Roenneberg sind bei den extrem späten Chronotypen, den Nachteulen, die Noten deutlich schlechter als bei den Mitschülern, denen es leichter fällt, morgens früh aufzustehen. Es ist dem Professor am Institut für Medizinische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München deshalb schon lange ein Anliegen, dass die Schulanfangszeiten mehr der inneren Uhr von Schülerinnen und Schülern angepasst werden.