Frauen werden in der Arbeitswelt noch immer weniger gehört als Männer.
Das Schweizer Parlament ist ein gutes Abbild dafür, welchen Demütigungen Frauen alleine aufgrund ihres Geschlechts im Beruf noch immer ausgesetzt sind. „In den Kommissionssitzungen werden wir Frauen regelrecht zum Verschwinden gebracht. Wenn ich etwas sage, und ein SP-Mann sagt das Gleiche, dann zitiert der dritte Redner ganz bestimmt nicht mich, sondern den Mann“, sagte Lisa Mazzone, Nationalrätin der Grünen, im Rahmen eines Interviews mit der WOZ. In die gleiche Kerbe schlägt SP-Nationalrätin Mattea Meyer: „Die gute Idee hat rückblickend in einer Diskussion immer ein Mann gehabt, darauf kannst du wetten. Diese Muster wiederholen sich ständig, auch in der Linken.“
Egal, wie hart sie arbeiten, egal, wie gut sie ausgebildet sind, egal, wie belesen sie sind, egal, wie kompetent sie sind: Frauen müssen auch im 21.Jahrhundert damit rechnen, nicht ernst genommen oder auf ihr Geschlecht reduziert werden. In Meetings kommen diese Mechanismen besonders stark zum Vorschein, weil zwischen es zwischen den Zeilen immer auch um das übliche Machtgerangel geht. Je mehr Macht Männer haben, desto mehr reden sie auch. Aber selbst wenn Frauen in der Hierarchie sich auf gleicher Stufe befinden, werden sie übersehen, ignoriert oder unterbrochen. Beanspruchen sie dennoch einen höheren Redeanteil, betonen sie ihre Leistungen und vertreten sie dezidiert ihre Meinungen, gelten sie als aggressiv, während dasselbe Verhalten bei Männern als durchsetzungsstark interpretiert wird.
Diese Wahrnehmung haben zahlreiche renommierte Studien bestätigt, darunter auch Soziologen der Universität Princeton. Frauen, welche die Karriereleiter bis ganz nach oben erklimmen wollen, können davon ein Lied singen: Sie befinden sich permanent in einem Dilemma. Geben Sie sich betont weiblich, wird an ihrer Kompetenz gezweifelt, legen sie ein Verhalten an den Tag, das als männlich gilt, werden sie als hart, selbstsüchtig und dominant beurteilt.
Alte Rollenbilder sind noch immer wirksam. Die Art und Weise, nach welchen Kriterien Frauen am Arbeitsplatz oft wahrgenommen werden, fördert einen weiteren Unterschied zu Tage: Sie müssen sich ständig irgendwelchen Urteilen aussetzen, während bei Männern vieles als selbstverständlich angesehen wird. Oder sie werden vorneherein auf Eigenschaften reduziert, die nichts mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder ihren Kompetenzen zu tun haben.
Besonders stark brechen diese Muster durch, wenn die Frauen jung sind. So wie bei Lisa Mazzone (30) und Mattea Meyer (31), die bei ihrer Wahl 2015 die jüngsten Mitglieder im Nationalrat waren. Meyer stand einmal in der Wandelhalle mit zwei anderen zusammen, als der eine zum anderen sagte: «Gäll, sie isch scho no äs Charmants.» Was wie aus einer Satiresendung über die Stellung der Frau in der Arbeitswelt klingt, ist bittere Realität. Es sind dies Vorkommnisse, die keinesfalls auf die leichte Schulter genommen werden sollten: „Solche Erfahrungen sind entwürdigend“, sagte Meyer im besagten WOZ-Interview. Auch Ratskollegin Lisa Mazzone muss im Parlament einiges über sich ergehen lassen. Einmal wollte sie mit Natalie Rickli (SVP) etwas besprechen, suchte zu diesem Zweck die SVP-Fraktion auf – und musste sich erst mal vor der Sitzreihe mit Adrian Amstutz, Albert Rösti, Thomas Aeschi und Toni Brunner rechtfertigen. «Für welches Sekretariat des Parlaments arbeitet sie?», fragte Aeschi, und die vier brachen in Gelächter aus.
Frauen sind auch in einer vermeintlich liberalen Gesellschaft ständig mit ihrem Minderheitenstatus konfrontiert. „In der Politik ist es nicht anders als in der Wirtschaft. Du musst als Frau – und erst recht als junge, linke Frau – deine Dossiers doppelt so gut kennen, um ernst genommen zu werden“, berichtet Mattea Meyer. Solange sich nicht grundsätzlich etwas an den Machtstrukturen verändert, ist es vermessen, Frauen mit Tipps zu überhäufen, wie sie sich verhalten sollten – als ob die Demütigungen etwas mit ihrem Verhalten zu tun hätten. Sie sollten nur nicht in die Falle tappen und die marginalisierte Rolle verinnerlichen, sich also tatsächlich weniger zutrauen. Denn dann wird sich garantiert nie etwas an den Machtverhältnissen verändern.