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Rhetorische Stolperfallen

Veröffentlicht am 04.07.2019 von Martin Wehrle* - Bildquelle: Gettyimages
Rhetorische Stolperfallen

Ob Professoren-Trick oder Columbo-Taktik: Wie verbale Angriffe souverän pariert werden. 

Rhetorische Tricks entfalten ihre destruktive Wirkung nahezu unbemerkt. Haben Sie es nicht auch schon erlebt, dass Ihr Gesprächspartner Ihnen dauernd ins Wort fällt? Oder wurden Sie in Gesprächen auch schon auf kluge Zitate und Studien verwiesen (Professoren-Taktik)? Nachfolgend fünf typische Gesprächssituationen – und was Sie tun können, um die rhetorischen Attacken souverän zu parieren.

1. Die Columbo-Taktik
Ihre Argumentation war so klar, dass sie jedes Kind versteht. Nur Ihr Gesprächspartner zieht ein Gesicht, als würde er nur Bahnhof verstehen, und sagt dann: „Also wissen Sie, ich begreife das alles nicht. Was wollen Sie mir eigentlich sagen? Geht es auch verständlicher?“ Dieser Angriff soll sie verunsichern – und dazu verführen, dass Sie Ihre glasklaren Argumente bei der Wiederholung für Begriffsstutzige selbst banalisieren. Das wäre eine Steilvorlage für Ihren Diskussionsgegner, um Ihnen eben dieses „mangelnde Niveau“ vorzuwerfen.
Gegenstrategie: Zeigen Sie Ihrem Gegenüber, dass Sie dieses Spiel durchschauen: „Ich glaube, Sie haben genau verstanden, worauf ich hinauswill.“ Oder zwingen Sie ihn zumindest zu einer Präzisierung: „Sicher haben Sie die meisten Punkte verstanden – an welchem Detail hakt es noch?“

2. Ins Wort fallen
Gerade sind Sie dabei, Ihr bestes Argument auszuführen, da fällt Ihnen Ihr Gesprächspartner ins Wort: „Gar nicht wahr!“ Oder: „Hören Sie auf!“ Oder: „Meine Ansicht dazu ist ...“  Mit dieser Unterbrechung will er Sie nicht in erster Linie aus dem Konzept bringen – vor allem geht es ihm darum, eine Rangordnung zwischen Ihnen und ihm festzulegen. Wer dem anderen ins Wort fallen darf, ist der Mächtigere. Ihr Gesprächspartner nimmt für sich die überlegene Position, den Hochstatus, in Anspruch. Wenn Sie nichts dagegen unternehmen, wenn Sie sich also unterwerfen, werden Ihnen auch die besten inhaltlichen Argumente keinen Erfolg mehr bringen.
Gegenstrategie: Weisen Sie die Unterbrechung zurück, zum Beispiel: „Ich bin ja sehr neugierig, was Sie antworten – aber sicher wollen Sie mein Argument erst einmal zu Ende hören, und zwar ...“ 

3. Der Professoren-Trick
Ihr Gesprächspartner erklärt Ihre Argumente für falsch, Ihren Standpunkt für überholt, Ihre Idee für unrealistisch. Dabei beruft er sich auf renommierte Zeugen. Zum Beispiel zitiert er einen Wirtschaftswissenschaftler („Sie wissen schon, der Nobelpreisträger!“), verweist auf ein Fachbuch („Sicher kennen Sie die englische Fassung.“) oder leitet sein Nein aus einer Harvard-Studie ab („Bestimmt haben Sie davon gehört.“). Der Trick: Diese Quellen können frei erfunden oder stark frisiert sein. Ihr Gegenüber setzt darauf, dass Sie sich nicht blamieren wollen (könnte ja sein, dass Sie etwas verpasst haben).
Gegenstrategie: Wappnen Sie sich ebenfalls mit Zeugen und theoretischen Erkenntnissen, die für Ihre Sicht der Dinge sprechen, sodass Sie auf derselben Ebene antworten können: auf Studien mit Gegenstudien, auf Zitate mit Zitaten usw. Mit seinen eigenen Waffen lässt sich der Gegner am besten schlagen.

4. Persönliche Attacke
Auf einmal wechselt Ihr Diskussionspartner die Gesprächsebene: Er greift Sie nicht mehr sachlich, sondern persönlich an. Zum Beispiel sagt er: „Ihre Argumente sind genauso blass wie Ihre Gesichtsfarbe.“ Oder: „Ihre Stimme wird ja schon heiser – ich weiss, das Heucheln ist anstrengend!“ Solche Angriffe sollen Sie weg von jenem Feld locken, wo Sie sicheren Boden unter den Füssen haben.
Gegenstrategie: Bleiben Sie betont sachlich, aber weisen Sie Ihren Gegner auch in seine Schranken. Zum Beispiel: „Können Sie mir bitte verraten, was Sie sich von solchen Aussagen versprechen?“ Oder: „Vielleicht habe Sie neben Ihrer Polemik auch noch ein paar Sachargumente im Angebot?“

5. Sippenhaft
Jeder von uns gehört diversen Gruppen an – und läuft Gefahr, in die rhetorische Sippenhaft genommen zu werden. Zum Beispiel könnte Ihr Chef auf eine berechtigte Forderung sagen: „Das ist wieder die typische Angestellten-Mentalität, mit der Sie mir hier kommen.“ Oder: „Ich weiss, ihr Controller seid von Haus aus Bedenkenträger.“
Gegenstrategie: Machen Sie Ihren Gesprächspartner darauf aufmerksam, dass Sie nicht als Vertreter einer Gruppe, sondern als Individuum am Verhandlungstisch sitzen – und lenken Sie den Blick zurück zur Sache: „Mich interessiert nach wie vor, was Sie zu meinen Argumenten zu sagen haben.

*Martin Wehrle gilt als Deutschlands bekanntester Karrierecoach, und er ist ein erfolgreicher Buchautor. Sein aktuelles Buch: «Noch so ein Arbeitstag, und ich dreh durch! Was Mitarbeiter in den Wahnsinn treibt».