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Egoisten im Vorteil

Veröffentlicht am 26.07.2019 von Manuela Specker - Bildquelle: Shutterstock
Egoisten im Vorteil

Wenn Firmen Kooperation verlangen und Egoismus belohnen: Über widersprüchliche Anforderungen.

Nichts geht ohne Teamarbeit. Wer in einem Bewerbungsgespräch sagt, lieber alleine zu arbeiten und so zu besseren Resultaten zu kommen, fliegt mit grosser Wahrscheinlichkeit aus dem Prozess raus. Wer sich hingegen als „Teamplayer“ verkauft, hat die besseren Karten – obschon doch diese Unterscheidung an sich nichts aussagt. Entscheidend wäre viel mehr, wie ein Team zusammengesetzt ist, und ob man da hineinpasst. Es ist wie mit dem Humor: Menschen, die sich als humorvoll bezeichnen, unterschätzen, dass der entscheidende Punkt ist, ob das Gegenüber den eigenen Humor überhaupt lustig findet. Humor ist genauso wenig eine isolierte Eigenschaft wie Teamfähigkeit.

Trotz allem wird in der Arbeitswelt gerne zwischen Teamplayer und Einzelkämpfer unterschieden, wobei erstere einen guten Ruf geniessen und letztere eher als verschroben gelten. Aber das ist noch nicht alles: In ihren Anforderungen an die Mitarbeitenden verstricken sich so manche Firmen in krasse Widersprüche. Halten in Führungsgrundsätzen und Leitlinien die Teamarbeit hoch und fordern kooperatives Verhalten ein, zeichnen am Ende aber einzelne Individuen aus – mit Bonuszahlungen zum Beispiel.

Wettbewerb statt Kooperation
Der Personalexperte Matthias Mölleney, Leiter des Center for Human Resources Management & Leadership an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ), spricht von einem Zielkonflikt. Um diesen zu vermeiden, reiche es nicht aus, herkömmliche Bonusmodelle zu ändern. Er plädiert dafür, diese gleich ganz abzuschaffen. Mölleney ist in guter Gesellschaft, wenn er diesen Widerspruch benennt. Auch der Managementexperte und Buchautor Reinhard K. Sprenger ist nicht gut auf Bonusmodelle zu sprechen, die auf das Individuum ausgerichtet sind: Sie erzeugten eine Wettbewerbskultur, obwohl alle Firmen in ihrem Kern Kooperationsunternehmen sind: Wenn die Zusammenarbeit unter den Mitarbeitenden nicht funktioniert, kann über kurz oder lang auch der Betrieb nicht aufrechterhalten werden. Sprenger betont seit vielen Jahren, dass Boni immer nur eine Art Strohfeuer sein können und langfristig die Motivation zerstören. Um den gleichen Effekt zu erzielen, müssten sie laufend erhöht werden. Und wehe, wenn die Extrazahlungen für einmal ausbleiben: der demotivatorische Effekt ist dann um vieles grösser, als es der motivatorische Effekt jemals war.

Die Widersprüche, in die sich Firmen mit ihren Anforderungen an die Mitarbeitenden verstricken, manifestieren sich nicht nur in den Bonuszahlungen. Die Arbeit der Zukunft, manchmal auch verheissungsvoll Arbeit 4.0 genannt, predigt die wachsende Bedeutung von Kollaboration und Networking. Wenn vermehrt projektbezogen gearbeitet wird, so erscheint es auch logisch, dass die Zusammenarbeit über Teams und Grenzen hinweg an Bedeutung gewinnt. Allerdings hapert es bereits bei der Informationsweitergabe, wie eine Umfrage des Marktforschungsinstitute Censuswide unter 6000 Büromitarbeitenden zu Tage förderte. Fast die Hälfte gab an, dass das umfassende Teilen von Informationen in ihrem Büroalltag keine Selbstverständlichkeit ist. Der Zugang zu Informationen ist in der Tat der neuralgische Punkt, wenn es um eine optimale Zusammenarbeit im Team geht. Manchmal halten Vorgesetzte Informationen zurück, weil sie sich dadurch eine Stärkung der eigenen Positionen erhoffen – Wissen ist bekanntlich Macht. Oder es sind die Arbeitskollegen selber, die wichtiges Wissen nicht weitergeben und sich durch den Informationsvorsprung Vorteile erhoffen für den nächsten Karriereschritt.

Resultat der Bewertungslogik
Angesichts der in vielen Firmen vorherrschenden Bewertungsmechanismen kann ihnen das niemand verübeln. Sobald sich der Einzelne einer Leistungsbewertung stellen muss, sobald Einzelne mit Boni geködert oder motiviert werden, macht sich eine Ellbogenmentalität breit. Selten werden jene Mitarbeitenden ausgezeichnet, die eine entscheidende Rolle für den Teamzusammenhalt spielen oder die im Sinne des Gemeinwohls agieren. Wen wunderts: Es ist bedeutend einfacher, jemanden beispielsweise nach erreichten Umsatzzahlen zu bewerten als sogenannte weiche Faktoren zu berücksichtigen. Teamplayer zu sein ist gut für das Image, aber noch lange keine Garantie für berufliches Vorwärtskommen.