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Jung, billig und willig

Veröffentlicht am 24.02.2020 von Manuela Specker - Bildquelle: GettyImages
Jung, billig und willig
Wie Lernende und Praktikanten im Job ausgenutzt werden – und warum sie sich wehren sollten.
Kopieren, Kaffee bringen, Bürotische reinigen, Gipfeli holen: Es gibt viel zu tun für die jüngsten in der Arbeitswelt. Leider oft nicht das, was ihnen aufgrund ihres Ausbildungsstatus eigentlich zustehen würde. Stattdessen werden sie als billige Arbeitskraft für Arbeiten eingesetzt, die sonst niemand machen will. Dass sie dabei nichts lernen, was sie später im Berufsleben weiterbringen würde, interessiert kaum jemanden.
 
Die Generation Praktikum – auch in der Schweiz alles andere als eine Chimäre.  Bereits die Arbeitskräfteerhebung 2017 förderte zu Tage, dass befristete Anstellungsverträge und Praktika zunehmen, und dass die Leidtragenden dieser Entwicklung vor allem jüngere Arbeitnehmende sind: Bei den 15- bis 24-jährigen ist beinahe jedes vierte Arbeitsverhältnis befristet (22,7 Prozent). Zum Vergleich: 2010 waren es 18,4 Prozent. Besonders ins Gewicht fällt bei dieser Entwicklung die Zunahme an Praktika, auf die mehr als 40 Prozent der befristeten Anstellungsverhältnisse fallen. 
 
Marginaler Rechtsschutz
Für TravailSuisse, den unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, ist der Fall klar: Es braucht klare Regelungen nicht nur für die Dauer von Praktika, sondern auch für die Lerninhalte, die Betreuung, die Arbeitsbedingungen und natürlich die Bezahlung - sonst drohe eine zunehmende Prekarisierung der Arbeitnehmenden in der Schweiz. Als das Genfer Arbeitsinspektorat zwei Jahre lang Praktikaverträge unter die Lupe nahm, kam es zu bedenklichen Ergebnissen: Immer häufiger wird weder ein Lohn bezahlt noch haben die Praktika einen Ausbildungscharakter. Der Gewerkschaft Unia werden allerhand Beispiele zugespielt, wie „20 Minuten“ vergangene Woche berichtete:  Lernende, welche private Arzttermine des Berufsbildners koordinieren, für die Frau des Chefs einkaufen gehen oder jeden Tag das WC putzen müssen: Den Möglichkeiten, Praktikanten und Lernende unpassend einzusetzen, sind keine Grenzen gesetzt. 
 
Trotzdem ist der Arbeitsmarkt für Praktikantinnen und Praktikanten kaum geregelt – jedenfalls nicht schweizweit. Der Rechtsschutz ist marginal, da es sich um befristete Arbeitsverhältnisse handelt. Das Gesetz gibt nicht einmal vor, was überhaupt unter Praktikum zu verstehen ist. Hinzu kommt, dass sich viele gar nicht erst zur Wehr setzen, sondern eher nach dem Motto „Augen zu und durch“ agieren, da das befristete Arbeitsverhältnis ja – wie es der Namen schon sagt - früher oder später endet. Die Passivität der jungen Leute auf dem Arbeitsmarkt hat natürlich auch mit ihrer naturgemäss schwachen Verhandlungsposition zu tun. Sie befinden sich sozusagen zuunterst in der firmeninternen Hierarchie. Doch es wäre allen mehr gedient, sie würden sich zumindest dann an eine Gewerkschaft wenden, wenn explizit vertragliche Abmachungen gebrochen werden, sonst dreht sich das Ausbeutungskarussell unendlich weiter.
 
Auch Hochschulabgänger sind betroffen
Praktika sind nicht etwa nur für Niedrigqualifiziere risikobehaftet, auch Hochschulabgängerinnen und -abgänger landen bisweilen in einer Praktikumsschleife. Sie hangeln sich von Praktikum zu Praktikum, weil ihnen diese Option immer noch erfolgsversprechender scheint, als gar keine Stelle zu haben. Auch diese Ängste öffnen der Gefahr, als billige Arbeitskraft ausgebeutet zu werden, Tür und Tor. Gerade bei Hochschulabsolventen besteht nicht nur das Risiko, dass sie für rein administrative Arbeiten eingesetzt werden, sondern dass ihnen anspruchsvolle Aufgaben übertragen werden, für die sie aber viel zu schlecht bezahlt sind.
 
Die Umstellung auf das Bachelor-Master-System war nicht gerade förderlich für bessere Bedingungen: Der eng getaktete Zeitplan führt bei vielen dazu, dass sie Praktika nach statt während des Studiums absolvieren – umso länger dauert es, bis jemand richtig Fuss in der Arbeitswelt fassen kann. Spätestens nach einem Jahr sollte Schluss sein mit dem Status als Praktikant.
 
Es ist zwar einfacher gesagt als getan, aber für die berufliche Zukunft ist es vielversprechender, länger zu suchen und Unsicherheiten auszuhalten, als sich ewig in der Praktikumsschleife zu bewegen, denn das hinterlässt auch im Lebenslauf keinen guten Eindruck. Was Betroffene auf jeden Fall wissen müssen: Ein Unternehmen kann ein Praktikum nicht einfach mehrfach verlängern. Das gilt als „Kettenarbeitsvertrag“ und als illegaler Versuch, den Kündigungsschutz zu umgehen. In diesem Fall sitzen die Betroffenen immer am längeren Hebel, wenn sie sich wehren.