Beim zweiten Bewerbungsgespräch lauern zahlreiche Stolperfallen.
Jobkandidaten wiegen sich beim zweiten Vorstellungsgespräch gerne in falscher Sicherheit. Das kann sich rächen.
Von Manuela Specker
Kaum ein Job wird heute schon nach dem ersten Treffen vergeben. Und doch tappen Bewerbende immer wieder in die Falle, dass sie die Einladung zum zweiten Vorstellungsgespräch bereits als Zusage werten. „Übersteigerte Siegessicherheit hat schon viele Bewerber in der zweiten Runde aus dem Rennen geworfen“, so die Erfahrung von Jochen Mai, Betreiber des Blogs „Karrierebibel“. Etwas mehr Bescheidenheit wäre also angebracht. Für den Arbeitgeber ist die zweite Runde alles andere als eine Alibiübung – zumal in der Regel noch immer mehrere Kandidaten im Rennen sind. Das geht in der vermeintlichen Siegesgewissheit der Bewerber, die zu eben dieser Runde aufgeboten werden, gerne vergessen.
Die Vertreter des Unternehmens wollen sehen, ob sich der Kandidat tatsächlich mit den Informationen aus dem ersten Gespräch und mit der Firma generell auseinandergesetzt hat. Der Wille, den Job ergattern zu wollen, muss zwingend spürbar sein. Es ist legitim, nach den Bedingungen zu fragen, die einen erwarten werden. Denn es ist nämlich gut möglich, dass man es nicht mehr mit denselben Personen zu tun hat. Immer mehr gesellt sich nämlich auch das eine oder andere Teammitglied ohne Führungsfunktion zum Vorstellungsgespräch – schliesslich soll der Kandidat auch ins Team passen, und wer kann das besser beurteilen als jemand, der jeden Tag in eben diesem Team arbeitet? Eine Untersuchung des britischen Behavioural Insights Teams kam sogar zum Schluss, dass eher der beste Kandidat ausgewählt wird, wenn nicht nur der Vorgesetzte alleine entscheidet. Die Unternehmensberatung empfiehlt deshalb, im Rekrutierungsprozess auf die kollektive Intelligenz zu setzen.
Wer als Bewerber in der zweiten Runde plötzlich mehreren Personen gegenüber sitzt, sollte darauf achten, den Fokus nicht nur auf die bekannten Gesichter aus der ersten Runde zu legen, sondern alle anzusprechen und auch den Augenkontakt mit allen Anwesenden zu suchen. „Rechnen Sie damit, dass Ihnen teilweise die gleichen Fragen wie beim letzten Mal gestellt werden und dass Sie noch einmal kurz Ihren Werdegang darstellen werden. Die wichtigsten Stationen aus Ihrem Lebenslauf sollten Sie deshalb auch beim zweiten Vorstellungsgespräch strukturiert und anschaulich erzählen können“, empfiehlt das Personaldienstleistungsunternehmen Robert Half. Es versteht sich von selbst, dass sich die Aussagen aus dem ersten und dem zweiten Gespräch zu einem konsistenten Bild zusammenfügen müssen. Wer auf dieselben Fragen unterschiedliche Antworten gibt, macht sich unglaubwürdig.
Für Arbeitgeber ist die zweite Bewerbungsrunde ideal, um allfällige Widersprüche aufzudecken. Darum sollte man die früheren Äusserungen gut in Erinnerung haben. Wer authentisch ist – und das ist es, was die Unternehmen wollen – dürfte mit diesem Prüfstein weniger Mühe haben als jene, die sich verstellen, um sich als passgenauer Kandidat zu präsentieren. So oder so ist es ratsam, das erste Gespräch genau zu reflektieren, bevor man sich in die zweite Runde wagt.
Für Arbeitnehmer bietet sich die ideale Gelegenheit, noch mehr über das Unternehmen herauszufinden und damit zugleich Interesse zu signalisieren. Dabei sollte man nicht nur über vergangene Entwicklungen gut Bescheid wissen, sondern auch die Aktualität im Fokus haben. “Rechnen Sie damit, dass das zweite Gespräch mehr in die Tiefe und ins Detail geht als das erste“, so Jochen Mai. In der Regel werde die Messlatte noch höher gelegt, darum müsse man sich auch auf Fangfragen einstellen.
In der zweiten Runde geht es oft auch darum, das Gehalt zu verhandeln. Wurde bereits beim ersten Mal darüber gesprochen, sollte man jetzt als Bewerber nicht nachlegen und den damals genannten Betrag einfach erhöhen – das ist ein klares Indiz dafür, dass man sich bereits zu siegesgewiss ist. Eine weitere Stolperfalle lauert bei der Kleidung: Es versteht sich von selbst, dass man genauso gepflegt wie beim ersten Mal erscheinen muss. Aber die Garderobe sollte sich auf jeden Fall unterscheiden.
Als gutes Zeichen ist sicher zu werten, wenn einem bereits der Arbeitsplatz gezeigt wird und die allfälligen künftigen Arbeitskollegen vorgestellt werden. Aber auch in diesem Fall gilt: Sich bis zur definitiven Zusage professionell verhalten anstatt sich in falscher Sicherheit wiegen und wie unter Kollegen über den alten Arbeitgeber lästern. Die besten Karten hat, wer bis zum Schluss sachlich und diplomatisch bleibt.