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Bewerbungen - Schummeln für den Job

Veröffentlicht am 16.03.2014
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Tricksereien sind bei Bewerbungen keine Seltenheit – daran sind die Firmen nicht unschuldig.  
Die Grenze zwischen Bewerben und Betrügen ist fliessend. Weshalb auch unbescholtene Bürger diese Grenze gelegentlich überschreiten.
 
Von Manuela Specker

Eigentlich war der Bewerber acht Monate lang arbeitslos und auf Stellensuche, doch im Lebenslauf heisst es jetzt „Sprachaufenthalt“. Das Praktikum wird kurzerhand zur Festanstellung, und ein Projekt, wo mitgearbeitet wurde, macht in den Bewerbungsunterlagen den Eindruck, als sei die Gesamtverantwortung getragen worden. Alles kosmetische Massnahmen, welche dem eigenen Karriereweg mehr Bedeutung verleihen sollen. Im besten Fall muss dafür nicht einmal gelogen, sondern müssen lediglich Information unterschlagen werden. Wer beispielsweise einige Jahre lang studiert hat ohne den Abschluss zu erlangen, erwähnt nur seine Studienfächer. Erst ein Nachhaken seitens der Personalverantwortlichen würde zu Tage fördern, dass kein Diplom vorhanden ist.

Dass selbst unbescholtene Bürger vor solchen kleinen Tricksereien nicht zurückschrecken, hat mit der Aufmerksamkeitslogik zu tun: es gibt genau eine Chance, die Firma von der eigenen Bewerbung zu überzeugen und nicht auf dem falschen Stapel zu landen. Dabei bringt nicht nur eine schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt Jobkandidaten dazu, zu übertreiben, Informationen zu unterschlagen oder gar zu erfinden. Es sind auch die überhöhten Ansprüche der Unternehmen, die unausgesprochen in der Luft liegen oder sich im Stelleninserat bemerkbar machen. Wenn andere dick auftragen und damit erst noch erfolgreich sind, haben die ehrlichen Kandidaten das Nachsehen, wenn sie es den Blendern nicht gleich tun. Zudem gilt der gradlinige Lebenslauf noch immer als Türöffner, während sich Bewerber mit Brüchen in der Biographie erklären und rechtfertigen müssen.

Ganz so harmlos, wie die Schummeleien auf den ersten Blick erscheinen, sind sie aber nicht. Denn wer damit durchkommt, sogar Karriere macht, scheut sich auch nicht vor dem nächsten Schritt: Abschlussnoten frisieren, Arbeitszeugnisse fälschen, also Urkundenfälschung im strafrechtlichen Sinne zu begehen. Gemäss den Erfahrungen von Manfred Lotze haben 70 Prozent der Wirtschaftskriminellen bereits bei der Bewerbung unwahre Angaben gemacht. Mit seiner Detektei nimmt er auch Bewerbungsmappen unter die Lupe. Über einen Zeitraum von sieben Jahren hat er gegen 5000 Bewerbungen auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft. Rund 1500 musste er als „unehrlich“ einstufen, worunter schönfärberische Angaben genauso fielen wie Urkundenfälschung.

In den USA gibt es sogar einen so genannten „Liars Index“, der die gefälschten Bewerbungsunterlagen erfasst und regelmässig im zweistelligen Bereich ist. Dieser hohe Anteil hat auch mit den technischen Möglichkeiten zu tun: eine Software und rudimentäre PC-Kenntnisse reichen aus, um die Dokumente zu den eigenen Gunsten zu ändern oder neu zu erstellen. Und manchmal reicht auch etwas Fantasie. Nach den Erfahrungen von Manfred Lotze wird bei der Arbeitserfahrung am häufigsten gelogen. Stellensuchende gaukeln die Mitarbeit in einem mittlerweile insolventen Unternehmen vor, das jedoch nie existiert hat, oder sie machen sich kurzerhand zu Jungunternehmern, um damit Innovationskraft zu beweisen. Es wäre eigentlich ein Leichtes, Bewerber mit solchen Angaben der Lüge zu überführen, doch unterschätzte man damit die Auslastung der Personalverantwortlichen. Werden sie von Bewerbungen überhäuft, fehlt schlicht die Zeit, um alle Kandidaten sorgfältig zu überprüfen. Beauftragen sie damit ein externes Büro, sollten sie sich schriftlich von den Bewerbenden bestätigen lassen, dass diese mit der Überprüfung der Daten einverstanden sind. Vielsagend ist, dass gemäss Lotze in einem solchen Fall ein Drittel der Bewerbenden die Unterlagen zurückzieht. Juristisch verfolgt werden die Betrüger im Stadium der Bewerbung kaum – zu gross wäre der Aufwand für die Firmen, weshalb sie es meistens bei einer Absage belassen.

Was Schummler entlarvt
Es sind vor allem Kleinigkeiten, welche die Betrüger entlarven: ein Zeugnis, das vor der neuen Rechtschreibreform verfasst wurde, aber die neuen Schreibweisen bereits enthält, oder Arbeitszeugnisse, die sich im Schreibstil stark ähneln. Während des Vorstellungsgesprächs sind es ebenfalls vermeintliche Nebensächlichkeiten, welche misstrauisch machen. Der ehemalige Kriminalbeamte Marco Löw, der heute Firmen hilft, Betrügern auf die Schliche zu kommen, schöpft beispielsweise Verdacht, wenn jemand sehr lange braucht, bis er eine Antwort gibt – schliesslich will sich der Lügner nicht in widersprüchliche Angaben verstricken. Löw rät, die Fragen auch gezielt auf Nebensächlichkeiten zu lenken, auf Details also, auf die sich der Lügner nicht wirklich vorbereiten kann. Behauptet jemand, jahrelang Geschäftsführer einer Firma im Ausland gewesen zu sein, kann die zögerliche Reaktion auf die Frage nach den Sehenswürdigkeiten vor Ort entlarvend sein. Immer wieder verräterisch ist die Körpersprache, wenn sie nicht zum Inhalt des Gesagten passt.