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Pimp my Lebenslauf 

Veröffentlicht am 20.01.2018 von Manuela Specker
Pimp my Lebenslauf 

Um sich im besten Licht zu präsentieren, motzen Bewerber schon mal ihre Unterlagen auf. Eine Grauzone mit fliessendem Übergang zum Betrug.

Eigentlich hatte er in seinem ganz, bald 50-jährigen Leben nur einen einzigen Artikel in einer Zeitschrift publiziert, eine eher unbedeutende Sache, ein kleiner Zweispalter unten links. Im Lebenslauf nennt er sich trotzdem „freischaffender Autor“. Die junge Abenteurerin macht aus ihrer halbjährigen Rucksackreise kurzerhand einen Sprachaufenthalt, und das einjährige Praktikum wird so dargestellt, als habe es sich um eine normal bezahlte, feste Mitarbeit gehandelt.
 
Die Phantasie kennt keine Grenzen, wenn es darum geht, sich im Rennen um einen Job in ein besseres Licht zu rücken. Vielen Kandidaten kann man das nicht einmal verübeln, weil sie wissen, wie kurz die Aufmerksamkeitsspanne sein wird, die ihrer Bewerbung zuteil wird. Falsche Bescheidenheit ist da fehl am Platz. Nur: die Grenze zum Betrug ist fliessend, die Konsequenzen entsprechend unangenehm. Stellt sich in der Praxis heraus, den Vorgesetzten durch Unwahrheiten getäuscht zu haben, droht die fristlose Kündigung. „Auch lange nach Ende der Probezeit hat der Arbeitgeber das Recht, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Schlimmstenfalls verlieren Betroffene den Arbeitsplatz und müssen Schadensersatz zahlen“, so Yeng Chow, Seniormanager beim Personaldienstleister Robert Half.
 
Die Wahrscheinlichkeit ist allerdings gross, dass die schummelnden Bewerber bereits vorher auffliegen – und dann im Unternehmen garantiert nie mehr eine Anstellung finden. „Personaler wissen genau, wie sie Ungereimtheiten im Lebenslauf oder Vorstellungsgespräch aufdecken. Bei Zweifeln an Angaben haken sie nach“, so Yeng Chow. Beliebt seien etwa Fragen zu Nebensächlichkeiten, auf die sich die Bewerber nicht vorbereiten können. „Die Verantwortlichen wissen: Wer lügt, der hat seine Antworten zwar genauestens geplant, kann aber unmöglich alle Details bedacht haben.“ Verräterisch ist oft auch die Mimik: Eine veränderte Pupillengrösse beim Lügen, ein nervöses Zucken im Gesicht oder ein unruhiges Hin- und Herrutschen auf dem Stuhl, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
 
Gemäss einer Umfrage des Personaldienstleisters unter 200 Managern haben mehr als zwei Drittel bereits Bewerber aussortiert, nachdem sie den falschen Angaben auf die Schliche kamen. Am häufigsten geschummelt wird bei den fachlichen Kompetenzen und bei der erworbenen Berufserfahrung. Aber auch Falschangaben zu Ausbildungen und Qualifikationen kommen oft vor, ebenso zu den früheren Aufgabenbereichen oder zum früheren Gehalt. Eine grösser angelegte Untersuchung von Kocks, des Detektiv-Institutes gegen Wirtschaftskriminalität, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: von 5000 Bewerbungen entpuppten sich 30 Prozent als nicht ganz ehrlich, angefangen bei aufgerundeten Zahlen in Bezug auf die verantworteten Mitarbeitenden bis hin zu erfundenen akademischen Titeln.
 
Es liegt im Interesse des Unternehmens, die Schummler frühzeitig aus dem Rennen zu nehmen. Manfred Lotze, Leiter des Detektiv-Institutes Kocks und spezialisiert auf Manager- und Mitarbeiterkriminalität, hat nämlich festgestellt: 70 Prozent all jener, die am Arbeitsplatz straffällig werden, kannten schon bei der Bewerbung keine Skrupel, zu schummeln, um den Job zu erhalten. Er ist deshalb überzeugt: Firmen könnten einen grossen Teil der Kriminalität aus ihrem Betrieb halten, wenn sie bei der Bewerbung genauer hinschauen würden. Aber es muss nicht einmal ein Straftatbestand vorliegen, um der Firma zu schaden: Jene, die im Bewerbungsprozess ihre Kompetenzen kompetenter darstellen, als sie tatsächlich sind, werden grosse Produktivitätsverluste verursachen – vor allem, wenn sie die Fassade noch lange aufrechterhalten können. Diese Gefahr ist gross, denn darin sind sie schliesslich Meister. Yeng Chow von Robert Half rät aber auch aus Sicht der Kandidaten davon ab, den Lebenslauf mit unwahren Angaben aufzuhübschen: Es bestehe das Risiko, in einem Job zu landen, der die Kompetenzen übersteigt. Wer die Anforderungen dann nicht erfüllen könne, sei schnell unglücklich.
 

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